Prozess gegen Frauenärztinnen Keine Einigung beim Werbeverbot für Abtreibungen in Sicht

Frankfurt · Dürfen Ärzte Abtreibung als normale Dienstleistung auf ihrer Homepage angeben? Derzeit ist das verboten. Nun beginnt ein weiterer Prozess in dieser Frage. Die politische Diskussion geht parallel weiter.

 Natascha Nicklaus (l) und Nora Szász, Frauenärztinnen müssen sich am Mittwoch wegen mutmaßlicher Werbung für Schwangerschaftsabbrüche vor Gericht verantworten.

Natascha Nicklaus (l) und Nora Szász, Frauenärztinnen müssen sich am Mittwoch wegen mutmaßlicher Werbung für Schwangerschaftsabbrüche vor Gericht verantworten.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Zwei Kasseler Frauenärztinnen müssen sich am Mittwoch vor Gericht wegen verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbrüche (§ 219a StGB) verantworten. Ein Angebot zur Verfahrenseinstellung bei Löschung des betreffenden Eintrags von ihrer Internetseite sei von den beiden Ärztinnen abgelehnt worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der Eintrag unter der Rubrik „Ambulante Operationen“ auf der Seite lautet: „Schwangerschaftsabbruch, operativ oder medikamentös mit Mifegyne“.

Eine Debatte um Schwangerschaftsabbrüche als Dienstleistung hatte im vergangenen Herbst begonnen: Damals verurteilte das Amtsgericht Gießen die Gießener Ärztin Kristina Hänel, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis über Schwangerschaftsabbrüche informierte hatte. Die Richter beriefen sich dabei auf Paragraf 219a im Strafgesetzbuch, der das "Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus verbietet oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. In der kommenden Woche sollte ein Berufungsprozess beginnen. Dieser wurde wegen fehlender Räumlichkeiten verschoben. Es habe sich angesichts des hohen öffentlichen Interesses herausgestellt, dass der vorgesehene Sitzungsraum beim Landgericht Gießen am 6. September nicht ausreicht, teilte Hänel am Montag mit. Das Gericht bestätigte dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Verschiebung. Es gebe noch keinen neuen Termin.

Grüne, Linke und SPD sahen in Folge des Richterurteils Handlungsbedarf. Binnen weniger Wochen legten die Fraktionen Gesetzentwürfe vor, die eine Streichung des Paragrafen vorsahen. Er sei nicht mehr zeitgemäß, hieß es. Frauen könnten sich nicht umfassend informieren, und Ärzte, die Abtreibungen durchführen, würden kriminalisiert, wenn sie auf ihrer Homepage darauf hinwiesen.

Die FDP will den Paragrafen zwar nicht abschaffen, aber ändern. Sie erarbeitete ebenfalls einen Antrag. Union und AfD wollen das Werbeverbot beibehalten. Kurz vor der Sommerpause gab es dazu eine Anhörung im Bundestag mit Experten, die das Für und Wider darlegten. Die unterschiedliche Haltung von SPD und Union sorgte für den ersten Krach in der großen Koalition - noch vor dem Streit um die Flüchtlingspolitik. Um den Koalitionsfrieden zu wahren, stellte die SPD ihren Gesetzesvorschlag nicht zur Abstimmung. Stattdessen einigte man sich darauf, dass das Justizministerium einen neuen Vorschlag erarbeitet.

Der SPD-Parteivorstand hatte den Druck noch erhöht: Sollte es bis zum Herbst nicht zu einer Einigung kommen, werde die SPD einen Gruppenantrag in den Bundestag einbringen und sich dort eine eigene Mehrheit suchen. Inzwischen gibt es Gespräche der Fraktionsvertreter mit Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), um die Möglichkeiten eines Kompromisses auszuloten - bislang ohne Ergebnis.

Längst haben sich auch Kirchen und Verbände zu Wort gemeldet. Die Kirchen sind für die Beibehaltung des Paragrafen. Ein allgemeines Informationsdefizit, von dem oft die Rede ist, gibt es aus ihrer Sicht nicht. Der Paragraf verbiete nur die öffentliche Information durch jene, die selbst mit Abtreibungen Geld verdienen. Angaben durch neutrale Organisationen und in Konfliktberatungsstellen seien hingegen nicht verboten. Und auch der Arzt dürfe im persönlichen Gespräch die betroffenen Frauen umfassend informieren - nur eben nicht öffentlich, also etwa auf der eigenen Website.

„Keine normale Dienstleistung“

Abtreibung sei keine normale Dienstleistung, betont das Katholische Büro, das die Bischofskonferenz in der Bundespolitik vertritt. Dies habe nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber mit auf den Weg gegeben. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland in den meisten Fällen verboten, doch sie bleiben für die Frauen unter bestimmten Bedingungen straffrei. Dazu gehört, dass der Eingriff von einem Arzt vorgenommen wird und die Schwangere sich vorher beraten lässt. Vier Prozent der zuletzt etwa 101.200 Abbrüche waren medizinisch begründet oder die Folge einer Vergewaltigung; in diesen Fällen sind sie erlaubt.

Schon jetzt scheint klar, dass ein Vorschlag, den der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann, einbrachte, der SPD nicht ausreicht: Er plädierte dafür, dass der Staat Sorge dafür trägt, dass die Beratungsstellen vollständige Listen über Ärzte erhalten, die einen Abbruch durchführen. Dafür sei eine Änderung des Paragrafen 219a nicht notwendig. In ähnlicher Weise hatte sich zuvor auch schon Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geäußert.

Unterdessen kündigte die Linke an, was Kritiker schon seit Beginn der Debatte vermuten: Sie will das gesamte, in den 1990er-Jahren mühsam erreichte Paket zur Regelung von Abtreibungen wieder aufschnüren. Nach der Sommerpause, so kündigte sie an, will sie einen Antrag in den Bundestag einbringen, der eine Legalisierung von Abtreibungen vorsieht.

(ubg/epd/kna/afp)
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