„Bizarrer, religiöser Wahn“ Nach islamistischem Anschlag in Berlin - Ermittlungen mit Hochdruck

Berlin · Warum hat der Angreifer in Berlin Motorräder gerammt? War da jemand im Hintergrund, der ihn unterstützte oder gar aufstachelte? Waren die Sicherheitsbehörden nachlässig? Viele Fragen sind offen.

 Blick auf die Berliner Stadtautobahn A100 in Höhe der Ausfahrt Alboinstraße. Nach dem islamistischen Anschlag hat die Polizei am Mittwoch die Untersuchungen vor Ort zum größeren Teil beendet.

Blick auf die Berliner Stadtautobahn A100 in Höhe der Ausfahrt Alboinstraße. Nach dem islamistischen Anschlag hat die Polizei am Mittwoch die Untersuchungen vor Ort zum größeren Teil beendet.

Foto: dpa/Tino Schöning

Nach dem islamistischen Auto-Anschlag auf der Berliner Stadtautobahn arbeiten die Behörden intensiv an der Aufklärung. Der 30-jährige Angreifer habe sich bislang nicht geäußert, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Martin Steltner, am Donnerstag. Nach einer psychiatrischen Begutachtung werde bei dem Iraker von einem „bizarren, religiösen Wahn“ ausgegangen. Der Mann sei in der Psychiatrie im Maßregelvollzug, dem Haftkrankenhaus, untergebracht. Wegen der psychischen Erkrankung sei eine Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen.

Der abgelehnte Asylbewerber hatte am Dienstagabend auf der Stadtautobahn gezielt Fahrzeuge angegriffen und gerammt. Er machte demnach Jagd auf Motorradfahrer. Sechs Menschen wurden verletzt, drei davon schwer. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes in mindestens drei Fällen. Wegen des islamistischen Hintergrunds hat die Generalstaatsanwaltschaft den Fall übernommen.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) begründete im Abgeordnetenhaus die Duldung des Täters in Deutschland mit den Regeln des Rechtsstaates. Der Mann sei nach Ablehnung seines Asylantrages 2017 nicht abgeschoben worden, weil Deutschland seit Jahren keine Menschen in das Bürgerkriegsland zurückschicke.

Es gebe zwar Ausnahmen, etwa bei Menschen, die schwerste Straftaten begangen haben. Die vor dem Anschlag vorliegenden Erkenntnisse über den 30-Jährigen seien dafür nicht ausreichend gewesen. Er sei aber wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Erscheinung getreten.

„Der Staatsschutz hat ihn zwar als einen Bekannten eines Gefährders hier in Berlin registriert“, so Geisel. Sie hätten gemeinsam in einem Wohnheim gelebt. Das sei aber „schon eine ganze Weile her“. Laut Sprecher Steltner werde jetzt nach den Kontakten gesucht. Nähere Angaben machte er nicht. Bei der Polizei beleuchte die extra eingerichtete Ermittlungsgruppe „Motorrad“ das Umfeld des Irakers, sagte eine Sprecherin.

Ein schwerst verletzter Feuerwehrmann liegt weiter auf der Intensivstation. „Sein Zustand ist ernst, wir sind in Gedanken bei ihm und hoffen das Beste“, sagte ein Feuerwehrsprecher.

Die Unterbringung sei eine erste Momentaufnahme und bedeute nicht automatisch, dass der Angreifer schuldunfähig ist, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Ermittlerkreisen. Der Iraker werde weiter begutachtet und befragt. Nach seiner Festnahme soll er sich aggressiv verhalten haben. Generalstaatsanwältin Margarete Koppers hatte am Mittwoch gesagt, trotz psychischer Auffälligkeiten sei ein gezieltes Verhalten möglich.

Der Berliner CDU-Vorsitzende Kai Wegner forderte Aufklärung, ob der polizeibekannte Gefährder den psychisch labilen Angreifer radikalisierte oder ihn anstiftete. Der Schutz der Berlinerinnen und Berliner müsse ganz oben auf die Agenda stehen. In der Hauptstadt seien etliche gefährliche Islamisten bekannt, jedoch stehe der Gefährdergewahrsam leer.

(juw/dpa)
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