Ermittlungen in Berlin Was über den mutmaßlich islamistischen Auto-Anschlag bekannt ist

Berlin · Er drückte aufs Gaspedal, um andere zu verletzen: Ein 30-jähriger Iraker soll auf der Berliner Stadtautobahn absichtlich mehrere Kollisionen verursacht haben. Nun ist er vorläufig in die Psychiatrie eingewiesen worden.

 Fahzeuge stehen auf der gesperrten Berliner Stadtautobahn A100 auf der Höhe der Ausfahrt Alboinstraße.

Fahzeuge stehen auf der gesperrten Berliner Stadtautobahn A100 auf der Höhe der Ausfahrt Alboinstraße.

Foto: dpa/Paul Zinken

Nach einem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag auf der Berliner Stadtautobahn kommt der Tatverdächtige vorläufig in die Psychiatrie. Das habe am Mittwoch ein Haftrichter antragsgemäß entschieden, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Nach Einschätzung der Behörden hatte der mutmaßliche Täter ein extremistisches Motiv. „Nach jetzigem Stand der Erkenntnisse gehen wir von einem islamistischen Anschlag aus“, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch. Es gibt aber auch „Hinweise auf eine psychische Labilität“, wie die Berliner Generalstaatsanwaltschaft und die Polizei gemeinsam mitteilten. Der Verdächtige, ein 30-jähriger Iraker, wurde festgenommen. Gegen ihn wird wegen versuchten Mordes ermittelt.

Der Täter hatte mit seinem Auto mehrfach Fahrzeuge gerammt und sechs Menschen verletzt, drei davon schwer. Der mutmaßliche Angreifer habe „quasi Jagd“ auf Motorradfahrer gemacht, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner.

Getroffen hat der Mann zwei Motorradfahrer und einen Rollerfahrer. Die Motorradfahrer und ein Auto seien gerammt worden, ein weiterer Wagen gestreift worden, so Steltner. Die Kollisionen seien als gezielte Anschläge zu werten. Ein Motorradfahrer habe schwerste Verletzungen an Kopf und Wirbelsäule erlitten. Zwei weitere Zweiradfahrer seien ganz erheblich verletzt worden, sagte Generalstaatsanwältin Margarete Koppers im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses. Bei dem letzten Zusammenstoß habe der Angreifer mit seinem Wagen den dritten Motorradfahrer auf ein vor ihm fahrendes Auto geschoben. Die dreiköpfige Familie in dem Wagen sei leicht verletzt worden.

Der Iraker ist laut Staatsanwaltschaft in Deutschland geduldet, darf also bis auf Weiteres nicht abgeschoben werden. Nach Angaben aus Berliner Senatskreisen kam er als Asylbewerber ins Land, sein Asylantrag wurde allerdings abgelehnt. Demnach war zunächst noch unklar, wann er nach Deutschland kam. Nach Fotos von seinem Facebook-Profil war er mindestens 2016 schon in Berlin. Die Facebook-Seite ist inzwischen gesperrt.

Generalstaatsanwältin Koppers sagte: „Er ist seit 2018 als Verdächtiger mehrerer Körperverletzungen und eines Angriffs auf Vollstreckungsbeamte erfasst worden.“ Zeitweise sei er auch in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht worden. Trotz psychischer Auffälligkeiten sei gezieltes Verhalten möglich. Der 30-Jährige sollte einem Haftrichter vorgeführt werden. Gegen den Iraker werde wegen versuchten Mordes in mehreren Fällen ermittelt, erklärte Koppers. Warum er es auf Motorradfahrer abgesehen hatte, war zunächst unklar.

Laut Polizei hatte der Verdächtige eine vermeintliche Munitionskiste dabei. Koppers berichtete, der Mann habe mehrfach „Allahu Akbar“ gerufen und auf Arabisch gesagt, dass alle sterben würden. Er habe ein Küchenmesser dabei gehabt und einen Gebetsteppich ausgerollt und sich darauf niedergelassen. Ein Polizist, der Arabisch spricht und mit als erster am Tatort war, nahm ihn fest. In einer Kiste, die nach seinen Worten angeblich einen „gefährlichen Gegenstand“ enthalten sollte, fanden die Beamten nach Angaben einer Polizeisprecherin lediglich Werkzeug. Am Auto wurden demnach keine Sprengstoffspuren festgestellt.

Anhaltspunkte für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sahen Generalstaatsanwaltschaft Berlin und Polizei am Mittwoch nicht. Aus Sicherheitskreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, dass der Iraker in Kontakt gestanden habe zu einem als Gefährder bekannten Islamisten. Beide sollen im vergangenen Jahr vier Monate lang in der gleichen Flüchtlingsunterkunft gewohnt haben.

Berlins Innensenator Geisel sagte dazu: „Wenn ein Auto gezielt auf Motorradfahrer auffährt, haben diese keine Chance.“ Unbeteiligte Menschen seien „aus dem Nichts heraus Opfer einer Straftat geworden“.

Vor der Tat veröffentlichte der mutmaßliche Fahrer im Internet Hinweise darauf. Auf seiner Facebook-Seite postete er Fotos des späteren Tatautos sowie religiöse Sprüche, in denen auch das Wort „Märtyrer“ vorkommt. Auf den Fotos ist das Berliner Kennzeichen des schwarzen Wagens zu erkennen. Nach Angaben auf seinem Facebook-Profil studierte der mutmaßliche Täter Design. Er postete dort im März 2015 ein Foto vom Abschlusstag an einer irakischen Kunstakademie.

(juw/dpa)
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