"Time"-Cover Aishas Gesicht schockiert die Welt

New York (RPO). Das angesehene Nachrichtenmagazin "Time" schockiert in seiner August-Ausgabe mit einem drastischen Titelfoto. Zu sehen ist ein junges Mädchen aus Afghanistan, das von den Taliban brutal im Gesicht verstümmelt wurde. Mit ihrer bewegenden Titelgeschichte "Was passiert, wenn wir Aghanistan verlassen" ist den US-Journalisten ein eindrucksvolles Plädoyer für den Militäreinsatz am Hindukusch gelungen.

 Das Cover der "Time" zeigt Aisha, ein junge Frau aus Afghanistan ohne Ohren und Nase.

Das Cover der "Time" zeigt Aisha, ein junge Frau aus Afghanistan ohne Ohren und Nase.

Foto: Time Inc., AP

Die "Time"-Redaktion hat das junge Mädchen mit den großen Augen und dem wallenden Haar Aisha genannt. Das ist nicht ihr richtiger Name. Aber das unglaubliche Verbrechen, dem die 18-Jährige im vergangenen Jahr zum Opfer fiel, ist wirklich passiert. Und im Afghanistan des Jahres 2010, in dem die radikalislamischen Taliban immer mehr Einfluss gewinnen, ist Aishas Schicksal kein Einzelfall.

Als junges Mädchen wird Aisha an einen Mann in der Provinz Uruzgan verkauft. Das Mädchen muss den Mann heiraten und in das Haus seiner Familie einziehen. Die neuen Verwandten behandeln Aisha wie eine Haussklavin. Aisha wird regelmäßig geschlagen. Eines Tages läuft sie weg. Für eine Ehefrau in Teilen Afganistans noch heute ein Verbrechen. Aisha wird geschnappt und zu fünf Jahren im Zuchthaus verurteilt. Der Fall macht Schlagzeilen auch in Kabul. Nach einigen Monaten wird Aisha von Präsident Hamid Karzai begnadigt.

Der Mann zückt das Messer

Aishas Mann macht die Begnadigung wütend. Er verschleppt das Mädchen und schleift sie vor ein Gericht der Taliban. Die Radikalen fällen ein unmenschliches Urteil. Der Ehemann darf seine Sklavin bestrafen. Mit einem Messer schneidet er Aisha erst die Ohren ab, dann die Nase aus dem Gesicht. Die Familie des Mannes hält das Mädchen dabei am Boden fest. Aisha soll nie mehr in den Spiegel schauen dürfen, ohne vor sich selbst zu erschrecken.

Der verantwortliche Redakteur der "Time" erklärt in seinem Leitarikel die drastische Entscheidung der Redaktion. Richard Stengel schreibt, es sei das Anliegen des Magazins vor dem Wiedererstarken der radikalen Taliban zu warnen. Stengel und seine Kollegen halten es für einen Skandal, dass Präsident Karzai und westliche Politiker fordern, Taliban wieder an der Regierung in Kabul zu beteiligen. Die Journalisten stellen afghanische Frauen vor, die unter Todesgefahr um ihre Freiheit kämpfen mussten. Und nun fürchten, dass die Taliban alles wieder zunichte machen. Eine dieser Frauen ist Aisha.

Redaktion kämpfte mit sich

Stengel beschreibt, dass die Redaktion lange mit sich gerungen hat, Aishas Foto auf der Titelseite zu bringen. So befürchtete man unter anderem, das Bild könne Kinder verstören. Man habe sich mit mehreren Kinderpsychologen beraten. Einige warnten in der Tat, Kinder könnten verstört regieren. Stengel zeigte das Bild nach seinen Angaben auch den eigenen Kindern. Die neun- und zwölfjährigen Jungen hätten schockiert reagiert, dann aber bewegt und interessiert nach den Gründen für das Verbrechen gefragt.

Aisha selbst befindet sich heute an einem geheimen Ort in Kabul. Sie wird von mehreren bewaffneten Sicherheitsleuten rund um die Uhr bewacht. Aisha sei klar, dass sie nun ein Symbol für den Widerstand der Frauen gegen die Taliban ist, schreibt die "Time". In Kürze soll die junge Frau in die USA reisen. Eine gemeinnützige Organisation will dem Mädchen in Kalifornien eine wiederherstellende Operation ermöglichen.

Die Ärzte wollen Aisha ermöglichen, künftig wieder in den Spiegel zu schauen. Dass Aisha jemals wieder ein unbehelligtes Leben in ihrer Heimat führen kann, scheint derzeit unmöglich.

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