Stadt Willich Willich steht ein Lehreraufstand ins Haus

Stadt Willich · Im Herbst kommt der Hamburger Kabarettist Horst Schroth mit seinem neuen Programm "Null Fehler - Lehrer Laux. Das Comeback" nach Neersen. Auf einer kleinen "Noten-Konferenz" stellte er sich jetzt vor einer Vorstellung in Kaarst.

Mitten in seinem neuen Programm lässt er das Licht im Saal anmachen und fragt ins Publikum, wieviel Lehrer denn erschienen seien. Die müssen dann aufstehen und sich zeigen. So ein Lehreraufstand wird auch Willich blühen, wenn Horst Schroth mit seinem Programm "Null Fehler - Lehrer Laux. Das Comeback" am 16. Oktober ins Schloss Neersen kommt. Schroth greift damit sein Programm "Null Fehler" auf, mit dem er vor 20 Jahren startete. Sein Lehrer Laux steht jetzt kurz vor der Pensionierung und schaut zurück. Er will "bis zum letzten Klingelzeichen" unterrichten, seine 68er-mäßig angehauchte emanzipatorische Pädagogik hat er bis heute nicht aufgegeben.

Als Horst Schroth mit seinem Regisseur ein Thema für ein neues Programm überlegte, kamen beide auf die Frage, was ist eigentlich aus den 68ern geworden. Sind sie frustriert, haben sie ihre Ideale verraten? Und fast automatisch sind dann beide auf Lehrer gekommen. Diese 68er-Studenten träumten von der Revolution und wurden Beamte. Laux ist ein Abziehbild von Oberstudienrat: Cordhose, kariertes Hemd, Weste und Weichlederaktentasche. Man hätte auch etwas über die Grünen machen können, und ihm fällt spontan Cem Özdemir ein, der in den Augen von Laux/Schroth "in die Bürgerlichkeit abgestürzt" sei. Schroth findet die Entwicklung bescheuert, ihn nervte im Wahlkampf die plumpe Anmache "und du?" auf den Plakaten der Grünen.

Als das erste Programm "Null Fehler" Premiere hatte, bekam Schroth den ganzen Hass der vereinten Pädagogen zu spüren. Zu Unrecht, wie Schroth findet. Denn eigentlich ist sein Programm ein Loblied auf den Lehrer. Nach einem halben Jahr drehte sich die Reaktion der Lehrer. Sie verstanden, dass Horst Schroth sie "nicht verarscht", sondern sie wichtig nimmt. Sind Lehrer per se ein wichtiges Kabarettpublikum, so wurden sie jetzt die größten Fans von Laux - oder Schroth - oder beiden. Nur die Grünen kommen nicht, denn es hat sich wohl herumgesprochen, dass Laux/Schroth die "Bundesbetroffenheitsbeauftrage" Claudia Roth nicht schätzt und auch "die Pfeife Özemir" auf der Bühne eine "mentale Energiesparlampe" nennt. Schroth wollte selber nie Lehrer werden, auch wenn er Geschichte und Sozialwissenschaften studierte - wie vorher Betriebswirtschaft ("wegen eines Mädels").

Horst Schroth tourt jetzt seit 20 Jahren durch die Republik. Die Kabarett-Landschaft hat sich in dieser Zeit stark verändert. Das Angebot sei sehr viel größer geworden. Und es gibt mehr Frauen, die Kabarett machen. Horst Schroth findet das gut. Und er ist dem Privatfernsehen überaus dankbar. Schroth vertritt nämlich die These, dass die Privatsender dem Kabarett den Publikumszuwachs beschert haben. Durch viele Comedy-Sendungen wurden neue Zielgruppen erreicht, viele Zuschauer hätten - "inhaltlich nicht überraschend" - die Schwellenangst vor Kabarett verloren. Vorher sei Kabarett etwas für Intellektuelle gewesen, die Zeitung gelesen haben und politisch gut informiert waren.

Steht Laux kurz vor seiner Pensionierung, so denkt Schroth (Jahrgang 1948) nicht ans Aufhören. Das Alter ist immer kabarettfähig. "Was weg ist, ist weg", der Verlust der Jugend und der Gesundheit zum Beispiel. Hat das Alter ihn verändert? Man werde gelassener, vielleicht sogar reaktionärer, wobei er gleich ein Fragezeichen mitspricht. Vieles in der aktuellen Politik enttäusche ihn maßlos. Zum Beispiel die EU. Wie könne man diese gute Idee eines Friedensprojektes so verhunzen, indem man die Staatengemeinschaft ohne Ende erweitere. Wir leben in einer Republik der Technokraten, in der sich inhaltlich nichts bewegt, schimpft Schroth. Wir würden regiert von Karrieristen, von willigen, gesichtslosen Leuten. Im Programm kommt mal die Worterfindung "Pofallisierung" vor. Abgeordnete wie Bosbach, die eine eigene Meinung vertreten, gebe es viel zu wenige.

So politisch er denkt, so wenig kann er sich ein tagespolitisches Kabarett vorstellen. Er findet es langweilig. Da käme er sich wie ein Hofnarr vor, der unter dem Tisch der Mächtigen darauf wartet, dass etwas für ihn abfällt. Horst Schroth wohnt außerhalb von Hamburg, wo das Theater St. Pauli sein zweites Wohnzimmer wurde. Seine Programme sind Großstadtprogramme. Aber gelacht werde überall gleich. Auch die sogenannten Provinzler lebten ja nicht hinterm Mond. Hanns Dieter Hüsch hat schon vor 30 Jahren festgestellt, dass man zusammen mit dem Publikum alt werde. "Genau so isses", pflichtet Schroth bei. Sein Publikum ist loyal und hat ihn meistens schon bei mehreren Programmen begleitet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort