Viersen Scherze aus der weißen Mülltonne

Viersen · Frank Bühler liebt es, seine weiße Mülltonne in einen Saal voll feierwütiger Narren zu tragen. Seit 33 Jahren tritt der Büttenredner als "Deä Müllmann" auf. Neue Scherze für das zum Teil vom Fernsehen verwöhnte Publikum zu finden, fällt aber schwer.

Vor Kurzem hat "Deä Müllmann" einen Orden bekommen. An einer goldenen Kette baumelt das "Goldene Herz des Rheinlandes" aus vergoldetem Silber. Einmal im Jahr wird es von einer Siegburger Karnevalsgesellschaft verliehen. Es zeichnet Bühler als bekannten und beliebten Karnevalisten aus, der sich sozial engagiert. Gespielt wird der Müllmann von Frank Bühler.

Der Viersener Inhaber einer Werbeagentur trennt klar zwischen seiner Kunstfigur und sich selbst. "Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich nicht Frank Bühler. Dann bin ich deä Müllmann." Seit 33 Jahren besucht die Kunstfigur Damen-, Herren-, Gala- und Seniorensitzungen. Dort zieht sie in orangefarbener Uniform allerlei Dinge aus einer weißen Mülltonne, darunter auch Scherze, die der Privatmann Frank Bühler außerhalb des Karnevals nicht erzählen würde. "Wenn Sie in einer Herrensitzung sind, muss es auch mal derber zugehen", sagt er. Da geht es um Fußball, um Politik, das eheliche Zusammenleben — da wird auch über die "Weiber" hergezogen. Steht der Müllmann vor einem Saal voller Damen, werden die Herren zu seinen Witzfiguren.

Verletzen sollen die Scherze zwar keinen, aber kräftig sind sie doch. Einige triefen vor Schimpfwörtern, andere vor beißendem Spott. Frank Bühler sieht den Müllmann in der Tradition früherer Büttenredner, die seit Jahrhunderten besteht. "Einmal im Jahr an Karneval durfte der einfache Mann von der Straße in witziger Form Kritik an den Herrschenden üben", erzählt er. Dabei hatte er die Bütte dabei — einen Bottich. Karnevalisten erzählen unterschiedliche Versionen davon, woher diese Tradition kommt. Frank Bühler meint, dass in dem Bottich einst die dreckige Wäsche gewaschen wurde.

Also rechnet sein Müllmann mit den Politikern ab, mit Firmenbossen, mit den Chefs seiner Zuhörer. Neue Witze zu finden und sie so zu erzählen, dass die Menschen im Saal zuhören wollen, fällt allerdings auch dem erfahrenen Büttenredner schwer. Bei Live-Sitzungen vergleicht das Publikum die Menschen auf der Bühne mit den Rednern aus dem Fernsehen. Einige wünschen sich auf einmal Comedy, wo früher die — auch politische — Büttenrede üblich war. Scherze, die Redner früher wiedererzählen konnten, kennen heute schon viele.

Um immer etwas Neues erzählen zu können, sammelt Bühler das ganze Jahr über Witze in einer großen Kiste bei sich zu Hause. Hört er einen guten Witz, hat einen Gedankenblitz, dann steckt er ihn in die Kiste. Später passt Bühler die Sprüche an und schreibt seine Reden.

Ob er beim Publikum wirklich ankommt, testet seine Frau. Sie begleitet ihn zu jeder Sitzung, lauscht im Publikum, ob die anderem ihrem Mann zuhören. "Sie würde mir schon sagen, wenn ich nicht mehr auf die Bühne gehen sollte", sagt Bühler.

Zum Glück hat sie das noch nicht getan. Dass sie damit Recht hat, zeigt Bühlers neuer Orden. "Deä Müllmann" ist darüber froh. Er hat Spaß daran, wenn er anderen Spaß bringen kann. "Und wenn so ein ganzer Saal tobt — dann gehen sie mit stolzer Bross aus'm Saal", sagt er. Stolz ist dann auch der Privatmann Frank Bühler und nicht nur seine Kunstfigur.

(RP/rl)
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