St. Tönis Faszinierende Souvenirs de Noel

St. Tönis · Der französische Chansonier Jean-Claude Séférian gastierte in der Evangelischen Kirche in St. Tönis. Diese besonderen Weihnachtserinnerungen spannten einen breiten Bogen zwischen Andacht und Festlichkeit.

 Jean-Claude Séférian sang auch im Duett mit seiner Tochter Marie. Die Zuhörer erlebten einen bemerkenswerten Konzertabend.

Jean-Claude Séférian sang auch im Duett mit seiner Tochter Marie. Die Zuhörer erlebten einen bemerkenswerten Konzertabend.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Schnell, schnell, alle herein: Während stürmischer Wind den klatschenden Regen gegen die Fensterscheiben prasseln lässt, macht sich in den neuen Räumlichkeiten der Evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis an der Hülser Straße schnell ein warmes Wohlgefühl breit. Am Vorabend zum zweiten Advent gastierte dort der renommierte französische Chansonier Jean-Claude Séférian mit seinem Programm „Souvenirs de Noel“. Diese „Weihnachtserinnerungen“ spannten einen breiten Bogen zwischen Andacht und Festlichkeit.

Den Kontrapunkt zu den äußeren Gegebenheiten bildete ein fast schon sonnenklarer Auftritt von großer Authentizität, denn sein vorweihnachtliches Schmuckstück bringt Séférian samt Familie auf die Bühne: Seine Frau Christiane Rieger- Séférian, die er während des Musikstudiums kennen- und lieben lernte, ist ausgebildete Konzertpianistin, ihre gemeinsame Tochter Marie Séférian hat sich unlängst als Jazzsängerin einen Namen gemacht. Als „guter Freund der Familie“ lässt sich der Pole Piotr Rangno bezeichnen, dessen virtuoses Akkordeonspiel sich wie eine breite rote Schleife sanft ums festliche Repertoire legte.

Séférian ruht in sich, schließt die Augen, legt die Hände auf die Klaviatur. Wenn er Titel wie „Noel d´autrefois“ anstimmt, bekommt nicht nur er eine Gänsehaut von der Intensität der Musik. Sein Gefühl legt der Chansonier wellenartig, mit seicht-wippendem Oberkörper dar, interpretiert Edith Piaf, Jacques Brel oder Georges Moustaki großformatig-scharf. Liebevoll, aber auch kritisch befassen sich die Liedtexte mit dem Fest aller Feste.

Die Stärke von Séférians Vortrag liegt nicht einzig im Solo in der fassbaren Poesie zwischen Musik und Literatur. Dieses typisch französische Element zieht sich etwa über glänzende Moll-Kadenzen, wenn Séférian mehr erzählt als singt. Diese Beobachtung kommt vor allem im Duett mit seiner Tochter Marie zum Vorschein, wenn die Zweistimmigkeit nach unten hin abfällt, was eine gewisse Melancholie zutage fördert. Instrumental liegt der Vortrag stets harmonisch auf einfühlsamem Ausdruck gebettet, vom peppigen Jazz-Riff bis zu ruhig schwelgenden Kantilenen.

Schmachtend bis sehnsüchtig trägt Jean-Claude Séférian zu keinem Zeitpunkt zu dick auf, dafür ist seine Botschaft zu ernst. Denn zwischen Klassik, US-Carrols und klassisch-deutschem Weihnachtsliedgut trägt ihn ein zentrales Motiv durch den Abend: der Friede. Wer dabei an festlich-verklärtes Gutmenschentum denkt, irrt gewaltig: Séférian war 19, als in seinem Heimatland Libanon der Bürgerkrieg ausbrach. Auch wenn Chansoniers eigentlich immer Botschaften transportieren – diese hat es in sich.

Dennoch: Heitere Momente fehlen keineswegs, wenn Marie Séférian etwa einen kecken Schlager anstimmt. Oder aber, als Jean-Claude Séférian stampfend-bestimmte Vier-Viertel mit fester, leicht glucksender Stimme vorträgt und dabei nicht ins Marschieren abgleitet, sondern französischen Stolz transportiert. Das Publikum dankt es den Künstlern mit sattem Beifall und ehrlichem Lächeln. Bald schon flackert die frohe Botschaft in den Herzen aller, wie die Kerzen im Advent. Bravo, Monsieur Séférian!

Die jüngste Veranstaltung der Reihe „Götter Speise“ konnte sich besonders hören lassen. Da kommt der Wunsch auf, derartige „Nahrung für die Seele“ bald schon wieder zu bekommen. Fest steht: Stadtkulturbund, Kulturagentur Schneider-Watzlawik und Gemeinde arbeiten am Programm für 2019.

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