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Neuss Zwei Engländer mit Unterhaltungswert

Neuss · Aus Shakespeares "Richard III." macht die Bremer Shakespeare Company einen fiesen Ich-Menschen. Der berühmte Tagebuchschreiber Samuel Pepys wird bei Gustav Peter Wöhler zum Sympathen: zwei Aufführungen im Globe Neuss.

 Da erschreckt sich Richard III. (Michael Meyer) aber. Königin Elisabeth (Kathrin Steinweg) will sich für die Morde an ihren Söhnen rächen. Am Ende jedoch verfällt auch sie ihm und überlässt ihm die Tochter als Frau.

Da erschreckt sich Richard III. (Michael Meyer) aber. Königin Elisabeth (Kathrin Steinweg) will sich für die Morde an ihren Söhnen rächen. Am Ende jedoch verfällt auch sie ihm und überlässt ihm die Tochter als Frau.

Foto: Christoph Krey

Er ist der Bösewicht schlechthin: Richard III. Er geht buchstäblich über Leichen, lässt jeden morden, der ihm auf dem Weg zum Königsthron von England in die Quere kommen könnte. Egal, ob Freund oder Feind, Bruder oder Neffen - er tötet gewissenslos. Und sein Lügenmaul macht ihm gar deren Frauen, Schwestern und Mütter gefügig. Aber ist er nicht eigentlich nur ein Getriebener? Ein bedauernswerter, mit körperlichen Defiziten geschlagener Mensch, der von seiner Mutter, von seiner Umgebung nur verachtet wird? Will er sich nicht nur rächen für all das, was die anderen ihm antun?

 Eine wunderbare Kombination für "Peeping at Pepys" im Globe: Sopranistin Melanie Hirsch und Schauspieler Gustav Peter Wöhler.

Eine wunderbare Kombination für "Peeping at Pepys" im Globe: Sopranistin Melanie Hirsch und Schauspieler Gustav Peter Wöhler.

Foto: Christoph Krey

Shakespeares Dramenfigur "Richard III." bietet reichlich Spielraum für Interpretationen. Und den nutzt auch Regisseurin Ricarda Beilharz für ihre Inszenierung für die Bremer Shakespeare Company. Die Derbheiten spielt sie ebenso aus wie die Unstimmigkeiten und liefert damit auch einen unterhaltsamen Abend ab. So versucht Christian Bergmann in seiner jeweiligen Rolle (insgesamt sieben) immer wieder die Zusammenhänge zu erklären, er fasst Geschehenes zusammen, macht dem Publikum die Beziehungen zwischen den drei Edwards, den Elisabeths und anderen klar.

Der mit viel trockenem Witz agierende Bergmann und Michael Meyer als fieser, hetzender, geifernder, charmanter, wütender, ätzender, skrupelloser Richard bilden das Zentrum der Inszenierung und überragen auch die Darstellerriege. Peter Lüchinger als Buckingham, Frank Auerbach als Hastings (und in drei weiteren Rollen), Kathrin Steinweg als Königin Elisabeth (und Nonne), Ulrike Knospe als Königin Margret (und in drei weiteren Rollen) machen ihre Sache auch sehr ordentlich. Mit der Rolle der Lady Anne,die Richard wegen des Mordes an ihrem Mann erst verflucht und ihm dann doch verfällt, ist Theresa Rose hingegen überfordert. Der Sinneswandel ihrer Figur geht nur über die Sprache, aber ihr fehlt es an Ausdruckskraft, es bleibt überwiegend bei Deklamation.

Die ausgefeilte Lichtregie, die Unterlegung der Handlung mit Musik (von Roman Beilharz), das schlichte Bühnenbild aus einer schlammig-grünbraunen Wand und einem ebensolchen Teppich, Kostüme, die zwischen Heute und der elisabethanischen Zeit schwanken, umrahmen passend Beilharz' inhaltlich eigentlich schlichten Ansatz, Richard als Ich-Produkt seines Umfelds zu präsentieren. In dieser Gesellschaft kann jeder zum Richard werden. Fragt sich nur, warum. Die Antwort bleibt die Regie schuldig. Auch wenn es immer wieder kleine sprechende Gesten wie diese gibt: Richards Mutter wischt sich die Hand am Rock ab, nachdem sie sie zum (widerwilligen) Segen auf des Sohnes Kopf gelegt hat. Oder: Richard kommentiert wüste Beschimpfungen der anderen mit einem selbstverliebten, lasziven Tanz.

Doch leider läuft der Abend immer wieder auseinander, zerfasert in viele Momente, die nicht konsequent zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Einer wie dieser Richard hat sich am Ende nur noch selbst zum Feind: Da blitzt dann noch mal auf, was zuvor mit einem chorisch wiederholten "But I" (Aber ich) behauptet wurde: das Selbstzerstörerische im Menschen.

Am Abend zuvor ging es im Globe indes völlig unblutig zu. "Peeping at Pepys" lautete der Titel einer musikalisch-szenischen Lesung, die der Schauspieler Gustav Peter Wöhler gemeinsame mit der Lautten Compagney präsentierte. Dafür hat Christian Filips für Wöhler und die Musiker aus dem Tagebuch Samuel Pepys' (sprich: Pieps), das dieser im London der Jahre 1660 bis 1669 geführt hat, geschickt jene Stellen ausgesucht, die zum einen einen Einblick in das alltäglichen Leben geben und zum anderen so manche Skurrilität des Schreibers offenbaren. Da erfährt man ebenso von den Heimsuchungen der Pest und des großen Feuers in London wie von den Verdauungsproblemen des Schreibers, seinen neuen Kleidern und seiner Eifersucht auf den Tanzlehrer seiner Frau Elisabeth.

Doch was heißt schon Lesung: Wöhler spielt Pepys, setzt sich sogar mal eine Perücke auf, rutscht auf seinem thronähnlichen Sessel herum, setzt Gestik und Mimik ein, so dass sich selbst sein heutiges Outfit aus Hose, Weste und Hemd in der Vorstellung zu Beinkleidern, Rockschößen und wallendem Gewand verwandelt. Der Kombination mit der famos gespielten Barockmusik der Lautten Compagney setzt jeder Auftritt von Sopranistin Melanie Hirsch die Spitze auf. Ein wunderbar unterhaltsamer Abend, der einfach perfekt ins Globe passt.

(NGZ)
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