Stadtrat in Neuss Politik soll für Frauen attraktiver werden

Neuss · Im Rat und seinen Gremien sind Frauen unterrepräsentiert. Ein Grund dafür ist die Doppelbelastung in Beruf und Familie, die keine Zeit für ein politisches Engagement mehr lässt. Das will man in Neuss ändern – irgendwie.

Politik soll für Frauen in Neuss attraktiver werden
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Im Rat und seinen Gremien sind Frauen unterrepräsentiert. Ein Grund dafür ist die Doppelbelastung in Beruf und Familie, die keine Zeit für ein politisches Engagement mehr lässt. Das will man in Neuss ändern — irgendwie.

Die "Hausfrauenentschädigung" — in Neuss wird sie noch ausgezahlt. Das (und noch einiges mehr) findet die Politik nicht mehr zeitgemäß an der Hauptsatzung der Stadt, die deshalb geändert werden soll. Das Thema schaffte es gestern (noch) nicht auf die Tagesordnung des Rates, ist aber schon aufgerufen. Denn dieses Regelwerk für den Rat und sämtliche Gremien, das zuletzt 2009 überarbeitet wurde, ignoriert unter anderem alle seitdem getroffenen Entscheidungen in Sachen Mindestlohn und die Anforderungen einer alternden Gesellschaft.

Hinter der Debatte über redaktionelle Änderungen an einem Papier, das außerhalb der städtischen Vertretungen kaum jemand interessieren wird, steckt ein ganz anderer Punkt: Wie kann man mehr Frauen motivieren, sich politisch zu engagieren? Denn auch im Jahr 2018 "hängt" die Aufgabe der Kinderbetreuung vor allem an den Müttern. Und weil die Familie, Beruf und politisches Ehrenamt oft nur schwer unter den Hut zu bringen sind, bleiben sie interessiert — aber abseits.

Ina Grothe ist so ein Fall. Die Beisitzerin aus dem SPD-Ortsverein Rosellen musste die Chance, für ein ausscheidendes Ratsmitglied in die Versammlung der Stadtverordneten nachzurücken, als alleinerziehende Mutter ausschlagen. Zum Bedauern der SPD-Fraktion, die nach einem Konzept ruft, um Frauen wie Grothe bei der Stange halten zu können.

Bei der Beschäftigung mit dieser Idee fiel Swantje Höhne (Linke) auf, dass es eine Hauptsatzung gibt, die über den Verdienstausfall hinaus auch die Erstattung der Kosten für die Kinderbetreuung regelt. Allerdings werden nur 7,50 Euro pro Stunde erstattet, weniger als der Mindestlohn fordert. Dafür findet sich kaum noch ein Babysitter. Anne Holt (CDU) wiederum betont, dass heutzutage nicht nur die Kinderbetreuung neu zu regeln sei, sondern auch die Pflege von Angehörigen. Die sei auch oft Frauensache, werde aber in der Hauptsatzung mit keiner Silbe erwähnt.

Wenn jetzt alles geändert wird, möchte Arno Jansen (SPD) auch den Begriff der Hausfrauenentschädigung über Bord werfen. Die regelt den Verdienstausfall von Ratsmitgliedern ohne Beruf — wie Rentnern, Studenten, Arbeitslosen oder eben Hausfrauen, denen nur der Mindeststundensatz von 7,50 Euro überwiesen wird. Der Begriff sei antiquiert und wenig motivierend.

Angelika Quiering-Perl (CDU) stört an der Debatte, dass die Verwaltung nun miterledigen soll, was doch auch Sache der Politik sei. Dass der Frauenanteil im Rat derzeit bei "nur" 37 Prozent liegt, sei von den Parteien gesteuert. Susanne Benary-Höck geht noch einen Schritt weiter. Vielleicht sollten die Stadtverordneten im Rat mal bei sich selber anfangen und "mehr Männer in den Sozial- und mehr Frauen in den Wirtschaftsausschuss schicken".

Aktuell sind diese Gremien noch besetzt, wie es einem veralteten Rollendenken entspricht. In einem nächsten Schritt wäre zu fragen, warum kaum Frauen einen Ausschuss leiten — Schule, Jugendhilfe und Beteiligungsausschuss mal ausgenommen. Richtig spannend würde es dann allerdings erst, wenn man an die Drittgremien herangehe. Denn Aufsichtsratspositionen sind nicht nur attraktiv, weil sie (Mit)-Gestaltungsmöglichkeiten bieten, sondern auch finanziell lukrativ — und deshalb noch immer männerdominiert.

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