Mensch Gladbach Unsere Helden

Mönchengladbach · Wie ein Streichelzoo zu einer besonderen Form des zivilen Ungehorsams wurde. Wie Politiker und Verwaltungsspitze einen Neubau vergaßen. Wie ein Antiheld das Ganze aufdeckte. Darum geht es heute.

Heute küre ich mal unsere Helden. Der junge Gladbacher Cagdas Yüksel, dessen Film über eine aufrüttelnde Begegnung zwischen einem jungen Flüchtling und einer Polizistin nicht nur die Cineasten begeisterte, ist ein Kandidat. Posthum könnte ich auch den Rheydter Heinz Sielmann zum "Held der Woche" erklären. Oder Vera Lüngen und ihre Freundin, die hilflose Spechte aus einem umgestürzten Baum gerettet haben.

Auf meiner persönlichen Hitliste stehen noch zwei andere Bewerber: zum einen als Gesamtgruppe die Feuerwehrleute der Stadt, die mit ihrem Streichelzoo aus Barbie-Pferdchen und Stofftieren am Stockholtweg eine bemerkenswerte Form des zivilen Ungehorsams zeigten, weil sie seit sechs Jahren auf einen Neubau warten, in dem sie während ihres anstrengenden Dienstes schlafen können. Und - halten Sie sich fest - auch jene Person ist ein Held, die mit der ultimativen Aufforderung "Der Kram muss weg!" für die Aufräumaktion sorgte. Ist das nicht ein Antiheld?, fragen Sie.

Nein, nein und wieder nein! Jene Person, deren Namen geheim gehalten wird, ist sogar der eigentliche, der klassische Held. Denn er (oder sie?) sorgte dafür, dass etwas öffentlich wurde, was man unter der Decke halten wollte. Das Aufstellen des Streichelzoos war die sanfte Form des Ungehorsams, das "Wegräumen!" sorgte für die Rebellion. Verschwörungstheoretiker könnten behaupten, dass Held 1 (Feuerwehr) mit Held 2 (Autorität) ein Komplott zur Aufdeckung einer Ungeheuerlichkeit schmiedete.

Es ist tatsächlich eine Peinlichkeit, dass unsere Politiker allenthalben und zurecht die besonderen Leistungen der Feuerwehrleute hervorheben. Dann aber offenbar vergessen, was sie ihnen versprochen haben: nämlich statt der Container eine ordentliche Bleibe, in der sie im Sommer als auch im Winter unter vernünftigen Bedingungen nächtigen können. Und es ist ebenso peinlich, wenn die Stadtverwaltung dann als Entschuldigung anführt, es habe so viele Personalwechsel in den Dezernaten gegeben, dass man dieses Projekt gänzlich aus den Augen verloren habe. Wenn zwei Personalwechsel - Ordnung sowie Bauen und Planung - für Konfusion in der Verwaltung sorgten, wollen wir gar nicht wissen, was bei einem richtigen Stühlerücken passiert. Wenn Sie das nächste Mal vergessen, Ihre Knolle wegen Falschparkens zu bezahlen, weisen Sie darauf hin, dass Ihnen wunderlich geworden sei, weil Sie nach den Personalwechseln nicht mehr wissen, wer die zehn Euro Strafe bekommen soll. Ich wette: Damit kommen Sie nicht durch.

Und ich kann nur darauf hoffen, dass bei allen Leuchtturmprojekten, die in der Stadt mit großer Begeisterung geplant werden, die einfachen Bauvorhaben nicht vergessen werden: Boden, vier Mauern ringsherum, Fenster, Türen - und ein Dach drauf. Damit gewinnt man keinen Architekturpreis, aber dafür den Respekt der Feuerwehrleute, die zu ihrem harten Job bei Unfällen und Bränden so nebenbei noch die hilflosen Spechte versorgten.

Gehören wir zu den Verschwörungstheoretikern, wenn wir Folgendes vermuten: Der Feuerwehr-Neubau wurde "vergessen", weil er den Haushaltsausgleich 2018 in Gefahr bringt? Denn wenn die Feuerwehr-Unterkunft gebaut wird, muss an anderer Stelle gespart werden. Ups! Jetzt wird mir ganz blümerant.

Ich erwarte bald den nächsten Plastik-Streichelzoo. Im Rathaus-Innenhof?

(RP)
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