Denkanstoß Kanzler Osmann - mit Doppel-N

Mönchengladbach · Es brauchte Anlauf, um Vertrauen zu gewinnen. Jetzt gibt es gute Gespräche bei Treffen mit muslimischen Freunden im Kirchencafé. Dabei wird sogar gewitzelt, zum Beispiel über einen Kanzler Osman(n).

"Klar kann ich mir vorstellen, dass der nächste Bundeskanzler Osmann heißt... aber "Osmann", mit Doppel-N - das sieht so schön deutsch aus!"

Es ist tatsächlich möglich - wir flachsen und witzeln in der Interreligiösen Konferenz mit den muslimischen Freunden, und wir lernen etwas voneinander und miteinander. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich, und es brauchte auch einen Anlauf. Einen Anlauf, um Vertrauen zur Offenheit zu haben. Mit wechselnden katholischen und evangelischen Freunden treffen wir uns alle paar Wochen mit Vertretern der Moscheegemeinden in Mönchengladbach. Ja - es sind nur Männer. Diejenigen nämlich, die in ihren Gemeinden Verantwortung übernommen haben, also ungefähr so, wie es bei uns in der Kirche bis vor einigen Jahren auch war: Ämter haben die Männer, die Frauen kochen.

Bei Licht betrachtet, weiß ich nicht genau, was wichtiger ist - denn die Speisen, zu denen wir regelmäßig eingeladen sind, sind so wunderbar zubereitet und mit Liebe gekocht: Was ist da schon ein Amt? Bei unserem letzten Treffen im Kirchencafé konnten wir uns revanchieren mit Hühnerfrikassee und Himbeerpudding und der Besichtigung der Hauptkirche. Das Interesse war groß, denn einige der islamischen Gäste leben wohl schon seit vielen Jahren in Deutschland, hatten aber noch nie eine christliche Kirche betreten. In unseren Gesprächen haben wir uns im wahrsten Sinne "gemeinsam auf den Weg" gemacht.

Auch bei uns brauchte es etwas Zeit, in der wir verstehen lernten, dass wir zwar voller Fragen sind, dass man diese Fragen aber nicht unvermittelt einfach in die Runde werfen kann. Man kann ja freundlich fragen, was die muslimischen Gemeinden denn tun, damit ihre Jugend nicht vom rechten Weg abkommt und den Salafisten nachläuft. Dann muss man aber damit rechnen, dass man die Gegenfrage bekommt, was wir tun, damit unsere Kinder nicht rechtsradikal werden . . .

So geht es also nicht, das haben wir schnell gemerkt. Also - neuer Anlauf bei gegenseitiger Bereitschaft, das Gespräch nicht abzubrechen, erst noch mal Tee trinken und über Fußball reden und dann: Wie steht es mit der Familie? Welche Werte habt ihr - haben wir? Und siehe da: Das ist gar nicht so verschieden. Pubertierende Kinder können wohl in jeder Kultur die Eltern zur Weißglut treiben. Und wie schön: Da bekommen wir erzählt, dass die Kinder von Osman Abitur machen und Medizin studieren werden, dass auch bei Aydin die Blagen rotzig sind und Türen schlagen, und wir können gemeinsam feststellen, dass Eltern es manchmal nicht leicht haben. Ja... Ja...

Bei unserem Treffen im Kirchencafé in Rheydt konnte man es fühlen: Da hat sich etwas geöffnet, und wir sind wirklich ein Stück vorangekommen. Unsere muslimischen Freunde, die zum überwiegenden Teil mehr als ein halbes Leben in Deutschland zu Hause sind, erzählen uns, dass sie sich in der letzten Zeit "unter Druck" fühlen. Dabei fühlen sie sich als Teil der Gesellschaft, sie betrachten ihre Umgebung als ihre Heimat, sie fühlen sich - zweifelsohne - als "andere" Deutsche. Nun sollen sie dauernd erklären, dass sie den radikalen Islamismus ablehnen, dass sie die Gewalt der Terroristen verurteilen, dass sie nichts zu tun haben mit den Verbrechen, die im Namen des Islam begangen werden!

"Islam heißt Friede", sagt Osman "dazu erziehen wir unsere Kinder, und das ist unsere tiefe Überzeugung! Der Koran beginnt mit den Worten: 'Im Namen Gottes des Allerbarmers, des Allbarmherzigen' - ja, wie sollen wir da Gewalt gut heißen? Die Terroristen missbrauchen den Islam!"

Gute, weiterführende Gespräche sind das. Und es sind Fragen möglich, die Verstehen fördern.

Die muslimischen Freunde im Kirchencafé sind für die vorübergehenden Passanten eine Attraktion. "Was machen die denn im Kirchencafé?" steht in ihren Gesichtern. Das haben unsere Gäste auch bemerkt: "Das muss selbstverständlicher werden!", sagt Osman. "Wir müssen mehr miteinander machen!" Und er zückt den Kalender, damit wir uns wieder verabreden können.

MARTINA WASSERLOOS-STRUNK IST LEITERIN DER PHILIPPUS-AKADEMIE DES EVANGELISCHEN KIRCHENKREISES.

(RP)
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