Langenfeld Gastfamilie statt Psychiatrie

Langenfeld · Seit April 1986 vermittelt das LiGa-Team an der LVR-Klinik Langenfeld Menschen mit Handicap in für sie geeignete Familien. Mittwoch feierten Klinikmitarbeiter, Kooperationspartner, Patienten und Angehörige dies mit einem Festakt.

 Helene Seibel (Zweite von links) lebt seit 23 Jahren in Gastfamilien. Zuvor verbrachte sie viele Jahre in der LVR-Klinik Langenfeld. Links: Birgit Weiß, Hartmut Belitz (Zweiter von rechts) und Wolfgang Schwachula (rechts).

Helene Seibel (Zweite von links) lebt seit 23 Jahren in Gastfamilien. Zuvor verbrachte sie viele Jahre in der LVR-Klinik Langenfeld. Links: Birgit Weiß, Hartmut Belitz (Zweiter von rechts) und Wolfgang Schwachula (rechts).

Foto: Matzerath

Sie ist glücklich in ihrer zweiten Gastfamilie: Helene Seibel verbrachte viele Lebensjahre in der LVR-Klinik Langenfeld und gehörte vor 23 Jahren mit zu den ersten Patientinnen, die seitdem privat betreut werden. "Wir unternehmen viel gemeinsam", sagt die 77-Jährige über die Gemeinschaft. Zum beliebten Programm gehören Ausflüge, Einkäufe und Spaziergänge mit Windhund Lina. Gestern saß die alte Dame strahlend im Festsaal der Landesklinik. Seit 25 Jahren bietet das Haus psychiatrische Familienpflege mit professioneller Unterstützung an. Ein Klinikteam aus Ärzten, Pflegern und Sozialarbeitern berät die Familien und kümmert sich um die Patienten. Aus diesem Anlass wurde gestern gefeiert.

Langzeitstationen leeren

Zuvor blickte das LiGa-Team ("Leben in Gastfamilien") zurück auf 25 Jahre Arbeit mit Klienten und Familien. Gabriele Schmidt früher Krankenschwester, heute Beauftragte für die innerbetriebliche Fortbildung, baute den Bereich damals gemeinsam im Team und unter der Leitung der Soziologin Dr. Helga Müther auf. Es war die Zeit der "Enthospitalisierung" der damaligen Langzeitpatienten, Familienpflege wurde als gute Alternative zu anderen bereits bestehenden Möglichkeiten betrachtet, die Stationen zu leeren. "Wir hatten den Auftrag, geeignete Familien und Patienten zu suchen", erinnerte sich Schmidt. "Dabei haben wir uns auf unser Gefühl und unsere Berufserfahrung verlassen." Wer zueinander passe, darüber entscheide nicht allein ein Kriterienkatalog, sondern auch das Bauchgefühl.

Unerlässlich sei es gewesen, die Betreuer auf dem Weg mitzunehmen. Denn für Ärzte als auch Sozialarbeiter sei es zunächst eine "große Kränkung" gewesen, dass jetzt Laien ihre Aufgabe übernehmen sollten. Sie wurden deshalb in die Auswahl einbezogen und konnten Vorschläge machen. So sei die anfängliche Skepsis rasch gewichen, sagte Schmidt. Für viele Menschen mit einer psychischen Erkrankung habe sich das Leben in Gastfamilien als "gute alternative Lebensform" erwiesen. Wobei der Schritt vom streng geregelten Alltag auf den Stationen mit wenig Privatsphäre hin zum engen Bezugssystem für viele schwierig gewesen sei, ergänzte Helga Styrnal, die als Krankenschwester im LiGa-Team arbeitet. "20 bis 30 Jahre im Krankenhaus haben die Menschen geprägt."

Die Idee von einst hat sich inzwischen bewährt. Heute betreut das Team der LVR-Klinik 30 Klienten in Gastfamilien. Geeignet ist diese Lebensform für Männer und Frauen, die wegen ihrer Krankheit weder alleine noch in einer therapeutischen Wohngemeinschaft leben können, weil sie Anregung und Unterstützung bei alltäglichen Dingen brauchen. Oft leiden sie unter sozialen Ängsten, depressiven Verstimmungen oder sind antriebslos. Jüngere sollen durch den Familienanschluss wieder selbstständiger werden.

(RP)
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