Die Ob-Wahl Zur Lage nach der Wahl: Der Tudor-Faktor

Krefeld · Der Sieger feiert - der Verlierer sortiert sich neu: Gestern Abend traf sich die Parteispitze der CDU. Es ging auch um die Lieblingsfrage des Niederrheiners: Wer isses 'en schuld?

Die CDU hielt sich gestern bedeckt. Keine Schuldzuweisungen. Keine Strategie-Erklärung. Keine Selbstkasteiung. Auffällig war lediglich, dass CDU-Fraktionschef Philibert Reuters seine Partei noch am Wahlabend vor Grabenkämpfen warnte - daraus ist zu schließen, dass es sie schon gibt. Selbstzerfleischung nach Wahlniederlagen ist nun durchaus nicht unüblich, aber nicht immer sinnvoll.

Denn eigentlich hat die CDU vieles angepackt: Generations- und Führungswechsel in Partei und Fraktion, neue Zusammenarbeit im Rat mit der SPD beim Großthema Haushalt, Paradigmenwechsel im OB-Wahlkampf: Diesmal setzte die CDU nicht auf einen Partei-, sondern einen Fachmann. Allein, all das verfing beim Wähler nicht. Warum?

Das lag sicher zum einen an der Person Vermeulen - dazu ist genug gesagt. Zum anderen vermutete Reuters, dass es eine Wechselstimmung in der Stadt gab. Dagegen ist schwer anzukämpfen. Der übliche Witz an dieser Stelle: Die SPD hätte auch einen Besen zur Wahl stellen können und gewonnen; umgekehrt hätte die CDU einen Merkel-Klon nominieren können - und verloren.

Spaß beiseite, denn damit wird man weder der SPD mit ihrem klugen, fehlerfreien Wahlkampf noch dem Kandidaten Meyer und seiner menschlich-sympathischen Ausstrahlung gerecht.

Die Botschaft des Wählers ist erst einmal: Jetzt sollen mal die anderen 'ran. Damit liegt der Ball im Felde Meyers. Er muss zeigen, dass er die Sehnsucht nach einem Wechsel auch erfüllt; der Hoffnungsträger wird nun nicht nur Hoffnungen, sondern echte Lasten zu tragen haben.

Meyer hat dabei ein ähnliches Problem wie die CDU: Er muss sich neu erfinden. Denn die Partei, die er bislang so leidenschaftlich bekämpft hat, ist jetzt Partner, den er braucht, wenn er etwas bewegen will in der Stadt. Er muss auf die CDU zugehen, einbinden, moderieren, Mehrheiten schmieden, Rücksichten nehmen, die er im Parteikampf nie nehmen musste. Und er muss Chef von 3300 Mitarbeitern mit je eigenen Interessen sein.

All das gibt der unterlegenen Partei auch die Ruhe, sich neu zu sortieren - und zwar still, ohne hohen Tudor-Faktor (Stichwort Heinrich VIII., das war der mit den sechs Ehefrauen, dem Tower, dem Richtblock und recht eigenwilligen Scheidungsmethoden). Die CDU kann nicht nur, sie muss abwarten, wie Meyer sich positioniert. Erst wenn sich dort Grundmuster abzeichnen, werden die Karten wirklich neu gemischt.

(RP)
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