Krefeld Müllrisiko: Liedtke sieht Vorgänger in Verantwortung

Krefeld · SWK-Chef Carsten Liedtke trat seinen Dienst im September 2007 an, wenige Tage nach dem entscheidenden Beschluss.

Krefeld: Müllrisiko: Liedtke sieht Vorgänger in Verantwortung
Foto: Thomas Lammertz

Carsten Liedtke, Vorstandssprecher der Stadtwerke Krefeld, hat gestern die Verantwortung für den Bau der Müllverbrennungsanlage Elfrath (MKVA) von sich gewiesen. Alle wichtigen Entscheidungen seien vor Beginn seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied ab September 2007 gefallen, betonte Liedtke im Gespräch mit unserer Zeitung.

Für 100 Millionen Euro war die Müllverbrennungsanlage in Elfrath ab 2009 modernisiert worden — mittlerweile zeigt sich, dass die Investition äußerst risikoreich war, weil wegen der Liberalisierung der Müllentsorgung immer mehr Kommunen Müllmengen neu ausschreiben. Die SWK verlieren wichtige Aufträge, zuletzt den des Kreises Viersen (wir berichteten).

Die kurze Chronologie der MKVA-Investition, die entscheidend für die unternehmerische Verantwortung ist, zeigt, dass nach dem Projektstart in 2005 der Vergabebeschluss im Mai 2007 gefällt wurde. Am 11. Juni 2007 wurde Carsten Liedtke als neues SWK-Vorstandsmitglied zum Nachfolger von Dieter Steinkamp gewählt, trat dann am 1. September 2007 seinen Dienst bei den Stadtwerken an.

Wenige Tage zuvor, am 13. August 2007, hat der Gesellschafterrat der Entsorgungsanlagengesellschaft die Firma Babcock Environment GmbH (FBE) mit der Errichtung des Ersatzkessels beauftragt, am 23. August 2007 habe dann der SWK-Aufsichtsrat der Investition zugestimmt. "Diese Beschlüsse erfolgten immer einstimmig, alle Politiker in dem Gremium stimmten zu", betonte Liedtke gestern. Er war ab 2007 zwar für den Bereich Entsorgung zuständig, hätte aber den Start nicht bremsen können. Ab Februar 2009 wurde gebaut.

Politisch geht der Streit jetzt in die nächste Runde. Nachdem der Krefelder SPD-Landtagsabgeordnete und SWK-Aufsichtsratschef Ulrich Hahnen die Schuld für das drohende MKVA-Desaster zunächst bei Landesumweltminister Remmel gesucht hatte, fand gestern der Krefelder Bundestagsabgeordnete Bernd Scheelen den Schuldigen in Oberbürgermeister Gregor Kathstede (CDU) — dieser zeige zu wenig Präsenz in der Region, deshalb sei ein neuer Müllvertrag mit dem Kreis Viersen nicht zustande gekommen, kritisierte Scheelen. "Krefeld wird durch den Oberbürgermeister ins regionale Abseits gestellt", behauptete der ehemalige SPD-Vorsitzende.

CDU-Fraktionschef Wilfrid Fabel verteidigte unterdessen den verstorbenen Vorstand Martin Cirener ebenso wie Liedtke: Investitionsentscheidungen seien immer nur im Interesse der Gesellschaften vorgenommen worden.

Einzig Grünen-Ratsherr Rolf Rundmund suchte die Schuld gestern auch bei sich: "Aus heutiger Sicht haben wir einen politischen Fehler gemacht", sagte das SWK-Aufsichtsratsmitglied. Er fühle sich heute durch den damaligen Vorstand der Stadtwerke, Martin Cirener und Dirk Steinkamp, ebenso schlecht beraten wie durch die damalige Landesregierung ("Man hätte uns das Risiko zeigen müssen"). Die politischen Vorzeichen, die anstehende Liberalisierung des Entsorgungsmarktes durch die CDU/FDP-Landesregierung, hätte man erkennen müssen, sagte Rundmund gestern selbstkritisch. Diesen politischen Beschluss auf Landesebene sieht er immer noch nicht gänzlich unkritisch, verneint aber nicht, dass der Wettbewerb die Preise hat sinken lassen.

(RP/rl)
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