Grevenbroich Bunte Spurensuche im Schützen-Archiv

Grevenbroich · Dass Fahnen, Orden und Zeitungstexte im Archiv lagern, überrascht nicht. Doch auch Fackelbauerschweiß und Anekdoten zählen dazu.

Das Schützenzimmer im Dachboden des Alten Schlosses ist der Alptraum einer jeden Putzkraft - aber der Traum eines jeden Schützen oder Geschichtsinteressierten. Die Historie des 1849 gegründeten Bürgerschützenvereins kann betrachtet, gelesen, gefühlt und sogar "erschnuppert" werden: Dazu gibt es etwa die Galerie der Königspaare im Treppenaufgang, Zeitungsausschnitte und Festschriften, glänzende Königsorden, Königinnen-Diademe oder historische Fahnen. Wer das Reich der beiden Schützen-Archivare Detlef Bley und Ulrich Gerhard betritt, nimmt sofort den typischen Geruch von alten Zeitungen und Dokumenten war. Beide sind die Wächter der Schützen-Geschichte, auch wenn sie nicht genau wissen, wie viele Exponate eigentlich in ihrem Archiv schlummern.

Detlef Bley hat für die NGZ-Leser einen Blick in Vitrinen geworfen, in Protokollbüchern gestöbert und mit Amtsvorgänger Gerhard Schneider nach spannenden Geschichten gesucht. Er lädt ein zu einem Rundgang der Superlative:

 "Fackelbauerschweiß" nennt sich dieser hochprozentige Kräuterlikör.

"Fackelbauerschweiß" nennt sich dieser hochprozentige Kräuterlikör.

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Der bunteste Vogel Würden diese Vögel leben, wäre es im Archiv sehr laut - doch im Schützenzimmer sind lediglich Attrappen des Holzvogels für den Schützenkönig, aber auch "erlegte Vögel" aus den einzelnen Zügen zu finden. Gerade wieder aufgetaucht: Teile eines hölzernen Königsvogels, mit dem sich Heinrich Ehl im Jahr 1957 die Königswürde gesichert hatte. Ein auffällig buntes Exemplar ist der aktuelle Königsvogel mit grünem Kopf, blauen Schwingen, roten Schwanzfedern und natürlich der unübersehbaren Krone.

Das geistreichste Exponat Der Name des Getränks ist - zum Glück! - symbolisch zu verstehen: "Fackelbauerschweiß" steht auf zwei Fläschen, die der Jägerzug "St. Sebastian 1954" hat abfüllen lassen. Das 32-prozentige Kräutergetränk sollte die Konstrukteure der Lichterwagen stärken. Ob er es noch trinken würde? Detlef Bley ist unsicher: "Besser hinter Glas lassen."

Das älteste Dokument Am 24. Juni 1849 wurde die "Bürger Schützengesellschaft" auf Initiative des späteren Graf Richard Josef von Mirbach Harff und Christian Uhlhorn gegründet. Das Originaldokument der Satzung befindet sich im Schätzen-Archiv: 80 Männer unterzeichneten es - eine stattliche Zahl, gab es doch damals gerade mal 1008 Einwohner in der Schloss-Stadt. Am 13. Juli 1850 wurde der Name in "Bürger Schützen Verein" geändert; auch das Dokument der neuen Satzung ist archiviert. "Allerdings fehlen die Protokollbücher der erstenbeiden Jahre", sagt der BSV-Archivar.

Die zu gut versteckte Fahne Historische Fahnen gibt es einige im Schützenzimmer - der Stoff der besonders alten wird mit durchsichtigen Hüllen geschützt. Ein solches historisches Zeugnis ist auch die Artilleriefahne aus dem Jahr 1926. Dass sie heute überhaupt gezeigt werden kann, ist zunächst der Geistesgegenwart, dann dem Zufall zu verdanken. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs wollte ein Mitglied der Familie Oberbach die Fahne vor den alliierten Truppen retten, wickelte sie in ein Betttuch und nagelte sie unter einen Schrank. Die Fahne wurde gerettet - und vergessen. Sie wurde erst bei Renovierungsarbeiten entdeckt, als der alte Schrank auseinandergenommen wurde. Nun konnte sie an den damaligen Archivar Oberst Erich Köppen übergeben werden.

Die explosivsten Stücke Zu sehen sind auch Böller, mit denen der damalige Schießmeister Harff bis in die 50er Jahre das Schützenfest einschoss. Als begeisterter Zigarrenraucher scheute er sich nicht, die Böller direkt mit der Zigarre anzuzünden. Generell hatte er ein eher unverkrampftes Verhältnis zum Schießpulver, nahm dieses sogar in einer Tasche an die Theke des Schützen-Treffpunkts "Brendgen" mit - im Nu war die Gaststätte leer und Harff konnte seine Zigarre ziemlich allein weiterrauchen. Dem früheren BSV-Archivar Gerhard Schröder zufolge wurden die Böller zum nächsten Schützenfest aus Rache "vollgeschissen" - keine angenehme Erfahrung für den Schießmeister, als er die Böller stopfte. Seine Aufregung sollte erst nach drei Tagen langsam verraucht sein.

 Bis in die 50er Jahre wurde mit diesen Böllern das Schützenfest eingebschossen. In den 80ern verwendete der Schießmeister ein acht Meter langes Stahlrohr.

Bis in die 50er Jahre wurde mit diesen Böllern das Schützenfest eingebschossen. In den 80ern verwendete der Schießmeister ein acht Meter langes Stahlrohr.

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 Ein auffälliger Orden mit Grevenbroich-Bezug stammt von 1960.

Ein auffälliger Orden mit Grevenbroich-Bezug stammt von 1960.

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Der auffälligste Königsorden Jeder Regent ließ seinen eigenen Orden entwerfen. Besonders farbenprächtig ist das Exemplar von Rudi II. Hartmann, der 1960/61 regierte. Es verweist zudem markant auf Grevenbroich - mit einer Darstellung, die noch oft zu finden ist.

(RP)
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