Erkelenz NVV wächst in der Region

Erkelenz · Die NVV-Vorstände Friedhelm Kirchhartz und Dr. Rainer Hellekes sprechen zum Auftakt der RP-Serie "Neue Energie" über die Strategie des Versorgers, die Zukunft des Nahverkehrs und Abwasser als Wärmequelle.

Die NVV ist ein vergleichsweise junges Unternehmen, das immens gewachsen ist – ohne dass es der Öffentlichkeit bewusst geworden ist. Woran liegt das?

Dr. Hellekes Wir haben unsere Strategie nicht im Verborgenen umgesetzt, wir haben sie aber auch nicht vorab auf den Marktplatz getragen. Wir sind nicht hingegangen und haben erklärt: Wir wollen durch Fusionen in der Region weiter wachsen. Das Augenmerk lag und liegt auf partnerschaftlichen Kooperationen, die in der letzten Konsequenz natürlich auch in Fusionen enden können. Das Ergebnis überrascht tatsächlich jetzt manchen: Wir sind der siebtgrößte Strom- und sechstgrößte Gasversorger in Nordrhein-Westfalen.

Man könnte fast den Eindruck haben, nach der ersten Fusion 1998 haben Sie nicht mehr aufgehört, weiter zu fusionieren.

Kirchhartz (lacht) Das mag daran liegen, dass schon die erste Fusion, aus der die NVV hervorgegangen ist, eine sehr erfolgreiche war. In der NVV sind 1998 die drei Vorgängerunternehmen aufgegangen: die RWE Regionalversorgung Mönchengladbach, die Niederrheinische Licht- und Kraftwerke AK (NLK) und die Stadtwerke Mönchengladbach.

Dr. Hellekes Wir haben dabei natürlich Doppelfunktionen abgebaut, allein im Bereich Führungskräfte wurden 40 Mitarbeiter eingespart. All das aber sozialverträglich, vor allem durch einvernehmliche Vorruhestandsregelungen. Bei uns ist niemand einfach auf die Straße gesetzt worden.

Sie sind ausschließlich in der Region gewachsen. Bleibt das weiter so – oder könnten Sie sich vorstellen, sich beispielsweise auch in Baden-Württemberg zu engagieren?

Kirchhartz Das hat keinen Sinn, weil es keinerlei Synergien bringt. Das wäre nichts anderes als eine Kapitalbeteiligung.

Dr. Hellekes Wir sind um unser Kerngebiet herum gewachsen, haben quasi Netz an Netz gelegt. Das hat auch mit den natürlichen Gegebenheiten zu tun. Der Niederrhein, also die Region zwischen niederländischer Grenze und Rhein, ist geologisch eine Einheit. Das Wasser beispielsweise kommt aus einem Topf. Die Wasserwerke grenzen unmittelbar einander. In der Region Niederrhein weiter zu wachsen, ist organisch.

Heißt das, es gibt bald nur noch einen Versorger, der Mönchengladbach, Krefeld und die Landkreise im Umfeld bedient?

Kirchhartz Davon gehe ich aus. Und im Bereich der Ver- und Entsorgung werden die nächsten Schritte zu einer Niederrhein-Lösung hin schon mittelfristig erfolgen.

Wie schnell, zum Beispiel auf Krefeld bezogen?

Kirchhartz Das ist schwer einzuschätzen. Ein Zeitraum von fünf bis zehn Jahren scheint realistisch.

Sie verdienen traditionell Geld mit Gas, Strom und Wasser und geben es unter anderem für Bäder und Nahverkehr aus. Nun überweisen Sie erstmals kein Geld mehr an die Stadt. Bleibt das so?

Kirchhartz Nein, das bleibt nicht so. Unser Ergebnis hat sich besser entwickelt, als wir prognostiziert hatten. Wir haben inzwischen Antworten auf die neuen gesetzlichen Bestimmungen gefunden, die uns einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet haben. In der Versorgungssparte gehen wir für die nächsten Jahre von etwa 40 Millionen Gewinn vor Steuer aus. Unser Ziel bleibt, an die Stadt Gewinn abzuführen. Und das werden wir auch schneller wieder erreichen, als ursprünglich gedacht.

Ist der Preis dafür, zum Beispiel beim Nahverkehr zu streichen?

Hellekes Alle Geschäftsbereiche werden untersucht. Wichtigster Punkt ist, alle Prozesse so zu gestalten, dass sie so kostengünstig wie möglich sind. Wir haben dazu für das ganze Unternehmen angefangen, sehr früh eine umfangreiche Prozesskostenanalyse zu erstellen, die später von anderen Versorgern kopiert wurde. Das ist für uns der wichtigste Baustein zur Wirtschaftlichkeit.

Kirchhartz Dazu gehört für uns aber beim Nahverkehr auch, die Verkehrsströme zu analysieren. Da sind wir mit Hilfe externer Berater dabei und werden der Stadt einen Vorschlag machen, durch welche Maßnahmen sich Geld sparen lässt. Da geht es sicher auch um die Taktung von Verbindungen. Das kann aber im Einzelfall auch das Gegenteil bedeuten, zum Beispiel, eine zusätzliche Haltestelle einzurichten oder durch gewachsene städtische Strukturen eine neue Linie einzurichten wie bei der Anbindung des Finanzamtes im Nordpark.

Wachsen können Sie nicht nur durch ein größeres Versorgungsgebiet, sondern auch durch ein erweitertes Angebot. Wie reagieren Sie auf die Veränderung auf dem Energiemarkt?

Hellekes Natürlich halten wir das Gasnetz weiter vor. Aber tatsächlich stellen wir bei Neubaugebieten fest, dass sich längst nicht mehr jeder ausschließlich mit Gas versorgen lässt. Die Nachfrage zum Beispiel nach Gas- oder Wärmepumpen steigt enorm. Darauf reagieren wir und beraten unsere Kunden. Auch unsere Biogasanlagen, von denen wir schon zwei betreiben und eine dritte im Mönchengladbacher Süden planen, sind Teil der Entwicklung. Wir beobachten genau aktuelle Forschungen und prüfen den Einsatz von innovativen Entwicklungen, zum Beispiel Wärme aus dem Abwasser zu ziehen. Auch das Thema E-Mobilität hat für uns einen großen Stellenwert.

Das heißt, die Mönchengladbacher fahren demnächst mit Ihrem Strom durch die Gegend?

Hellekes Einige Außendienstmitarbeiter sind demnächst mit Rollern, die mit Strom betrieben werden, unterwegs. Ab März probieren wir das auch mit Autos aus.

Und wo soll getankt werden?

Hellekes An zwei Stromtankstellen: eine an der Odenkirchener Straße, die andere am Europaplatz.

Ralf Jüngermann führte das Gespräch.

(RP)
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