Duisburg Die Bestie in uns allen

Duisburg · Das Mülheimer Theater an der Ruhr führte "Verbrechen" von Luigi Pirandello auf. Das Stück des Literatur-Nobelpreisträgers von 1934 vertrat bei den Festwochen "100 Jahre Theater Duisburg" die 1930er Jahre.

 Regisseur Roberto Ciulli verlegt die Handlung von Pirandellos Stück "Verbrechen" aus dem Jahr 1934 in eine Turnhalle, um zu zeigen, wie faschistische Körperkultur "funktioniert".

Regisseur Roberto Ciulli verlegt die Handlung von Pirandellos Stück "Verbrechen" aus dem Jahr 1934 in eine Turnhalle, um zu zeigen, wie faschistische Körperkultur "funktioniert".

Foto: andreas köhring (theater an der ruhr)

Die große Zeit von Luigi Pirandello (1867-1936) auf den deutschsprachigen Bühnen ist längst vorbei, selbst sein einstiger Renner "Sechs Personen suchen einen Autor" ("Sei personaggi in cerca d'autore", 1921) wird kaum noch gespielt.

Jetzt war das Mülheimer Theater an der Ruhr hier wieder einmal zu Gast, mit Pirandellos "Verbrechen" (eigentlich "Non si sa come", also "Man weiß nicht wie") von 1934, dem Jahr, als der italienische Autor den Literatur-Nobelpreis erhielt (und in dem der Regisseur Roberto Ciulli geboren wurde). Die derzeitigen Festwochen "100 Jahre Theater Duisburg" sind mit ihrer ersten Vorstellung im großen Haus in den 1930er Jahren angekommen.

Es geht darin um jene "schuldlosen Verbrechen", die man "einfach so, man weiß nicht wie", begeht - gesteuert durch das Unterbewusste, worüber zu reden damals aber verpönt war. Die philosophische-psychologische Erörterung ist verpackt in eine fast banale Handlung: Giorgio, ein Offizier der Marine, ist nach monatelanger Abwesenheit auf Heimaturlaub. Alles scheint wie immer - und doch bemerkt er Abweichungen im Verhalten seiner Frau Ginevra und des mit ihnen eng befreundeten Ehepaares Daddi.

Romeo Daddi, mit dem er seit Kindertagen eng befreundet ist, quält die Tatsache, dass er mit Giorgios Frau Bice in einem Moment völliger Willenlosigkeit geschlafen hat. Es erscheint ihm unmöglich, seinen besten Freund zu hintergehen, es erscheint ihm als Verbrechen.

Die Mülheimer zeigen dieses Stück im Kontext des italienischen Faschismus'. Sinnigerweise wird die Handlung in eine Turnhalle verlegt, einen - so Roberto Ciulli - "typischen Ort faschistischer Körperkultur". Fabio Menéndez als Giorgio ist darin der Herr, zunächst als äffisch-tumber Turner (er bekommt sogar Bananen), dann als soldatischer Killer. Er erschießt Romeo (geradezu loriothaft: Steffen Reuber) kurzerhand, die beiden Damen (elegant: Simone Thoma als Bice und Petra von der Beek als Ginevra) schauen scheinbar ungerührt zu. Die Leiche lässt er dann diverse Turnübungen machen, vor allem am Barren. Dieser schon starke Schluss steigert sich noch mehr: Schließlich zerfetzten die Ventilatoren die Papierwände.

Man merkt Ciulli die Begeisterung für diesen Autor und für dieses Stück an, das scheint ihm eine Herzensangelegenheit zu sein. Seine Inszenierung legt sich dafür mächtig ins Zeug, kann uns aber letztlich nicht überzeugen, warum dieses Werk ausgegraben werden musste. Da hilft auch nicht die wirklich brillante deutsche Übersetzung, von keinem Geringerem als Stefan Zweig.

(hod)
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