Heerdt Die Glöckner von Heerdt

Heerdt · Am Samstag wird der alte Brauch des "Beierns" in der St. Benediktuskirche wieder lebendig. Von 17.45 bis 18 Uhr werden drei Glocken im traditionellen Rhythmus geschlagen – als Einstimmung auf die Erstkommunion.

Der Klang der Kirchenglocken hatte einst eine ordnende Funktion im Tages- und Jahreslauf, ja auch im Lebenslauf der Menschen. Er verkündete die Mittagsstunde ebenso wie den Tod des Nachbarn. So hatten die Glocken einst einen höheren Stellenwert als heute in einer lärmüberfluteten Großstadt. Übrig geblieben sind Läute- und Beier-Gebräuche. Manche von ihnen sind bis heute im Rheinland bekannt. Wiederbelebt werden sie aktuell im Seelsorgebereich Düsseldorf linksrheinisch. Am Vorabend des Weißen Sonntags, am 14. April, wird im Anschluss an die Tauf-Erinnerungsfeier für die Kommunionkinder von 17.45 bis 18 Uhr in der Pfarrkirche St. Benediktus "gebeiert".

Festgelegte Tonfolge

Unter Beiern versteht man das manuelle und melodische Anschlagen der Glocken. Dabei wird nur der Klöppel mit der Hand geschlagen, die Glocke selbst wird nicht bewegt. Bei größeren Glocken wird ein Seil zur Hilfe genommen. Das Wort "Beiern" ist abgeleitet aus dem Alt-Französischen und bedeutet "bellen" oder "anschlagen". Traditionell wurden kirchliche Feste am Vorabend eingebeiert oder Prozessionen begleitet.

Die rhythmischen Glockenschläge unterscheiden sich vom üblichen Geläute zu Gottesdienstzeiten und machen die Menschen auf etwas Besonderes aufmerksam. Sie kündigen beispielsweise bevorstehende Feste an. Der verantwortliche Seelsorger, Dechant Michael Dederichs: "Ich freue mich sehr, dass diese alte Tradition, die früher in vielen Kirchen praktiziert wurde, in St. Benediktus lebendig gehalten wird." Zu verdanken ist das auch Klaus Krämer, der als neues Mitglied in den Kirchenvorstand aufgenommen wurde. Er erinnerte an den alten Brauch, der in Heerdt zwar viele Jahre gepflegt, zuletzt aber vernachlässigt worden war.

Zu den von der Tradition des Beierns überzeugten Heerdtern gehört auch Udo Tuntke, Vorsitzender der KAB Heerdt (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung). 25 Jahre stieg er mit zwei Gleichgesinnten am Vorabend des Weißen Sonntags und zur Fronleichnamsprozession die steilen Holztreppen zum Glockenstuhl hinauf und schlug die ungewöhnlichen Töne an – ohne Vorlage, denn: "Die überlieferte festgelegte Ton- und Anschlagfolge haben wir Beiermänner in unseren Köpfen", gibt Tuntke preis. "Vier auf Des, Es, F, As gestimmte Glocken befinden sich im Glockenstuhl von St. Benediktus. Sie klingen harmonisch und haben eine hervorragende Qualität." Dass das Beiern in Heerdt einige Jahre nicht mehr praktiziert wurde, lag daran, dass die katholischen Pfarrgemeinden zusammengelegt worden waren. Zunächst kam nach dem Tod von Msgr. Carl Klinkhammer St. Sakrament (Bunkerkirche ) zu St. Benediktus, dann die Löricker Pfarrei St. Maria Hilfe, der Christen. Somit wurde der Einzugsbereich größer, und die Fronleichnamsprozession zog beispielsweise im Jahreswechsel mal durch Heerdt, mal durch Lörick. Tuntke: "In Heerdt fand sie nur alle drei Jahre statt und außerdem hat man das Beiern ab Heesenstraße nicht mehr wahrgenommen."

Und noch einen Grund für die etwa sechsjährige Ruhezeit des alten Brauches teilt Tuntke mit: "Der Nachwuchs fehlte. Uns älter gewordenen Glöcknern fiel das Hinaufklettern zum Glockenstuhl über die steilen Holztreppen immer schwerer."

(RP)
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