Karneval in Düsseldorf "Gebützt wird nur öffentlich" - mein Tag als Düsseldorfer Möhne

Düsseldorf · Ich stehe vor dem Badezimmerspiegel, zupfe den federnden Haarreif zurecht, streiche den Kunstpelzkragen glatt. Ob das reichen wird? Ob mich die Düsseldorfer Möhnen in diesem Aufzug in ihrer Mitte aufnehmen?

 Hedi Müller, Lena Steeg und Annemarie Leufen.

Hedi Müller, Lena Steeg und Annemarie Leufen.

Foto: Bretz, Andreas

Zur Sicherheit male ich mir einen goldenen Lidstrich. Auf meinem Auge formt sich die helle Farbe zu unschönen Kumpen. Am Postkasten fragt mich meine Nachbarin, ob ich — "auweia, das tut weh, oder?" — ein Gerstenkorn am Auge hätte. Ich mache mich trotzdem auf den Weg zum Rathausplatz.

Hedi Müller und Annemarie Leufen sind nachsichtig. Die beiden 75-jährigen Damen feiern seit über 20 Jahren Altweiber auf dem Düsseldorfer Rathausplatz. Sie kommen dafür aus Wuppertal. Erst in der Bahn setzen sie ihre Hütchen auf, den Fuchspelz tragen sie schon vorher. "In Wuppertal halten uns die Leute für überkandidelt, wenn sie uns in unseren Kostümen sehen", sagt Hedi Müller. "Von Karneval haben einfach nur die Düsseldorfer Ahnung. Dieses Prickeln, das in der Luft liegt, gibt es nirgendwo sonst."

Und als Möhne werde man automatisch höflich behandelt. Schließlich sei schon der Begriff altehrwürdig. Früher bezeichnete er ältere Frauen in dunkler Kleidung und mit Kopfbedeckung. Erst später übertrug er sich auf die Frauen, die an Weiberfastnacht das Regiment in den Städten und Dörfern übernahmen.

Aber wie genau werde ich jetzt eine von ihnen, was muss ich beachten, auswendig lernen, tragen? "Sie brauchen einen dunklen Kopfschmuck", sagt Hedi Müller mit leicht spöttischem Blick auf meinen gut gemeinten Feder-Haarreif. "Und sie brauchen einen Fuchskragen." Muss der echt sein? "Natürlich", sagt Annemarie Leufen.

"Nein, das geht auch so", widerspricht Hedi Müller. "Ja, stimmt, das geht auch so", berichtigt sich ihre Freundin. Ich ahne trotzdem, dass mich mein Plüsch-Schal zur Möhne zweiter Klasse macht. "Aber es ist mehr als das", sagt Hedi Müller. "Früher haben wir auch noch Spitzenkleider getragen, heute ist uns das zu kalt. Trotzdem ist es wichtig, mit einer gewissen Eleganz zu laufen, aufrecht, würdevoll."

Außerdem solle ich: Alle Karnevalslieder lernen, die alten und die neuen. Das mit dem Schminken noch einmal üben. Nie mehr als ein Gläschen Sekt trinken — "das aber regelmäßig". Am Nachmittag auf eine Tasse Kaffee und ein Stück Torte im Café Bittner am Carlsplatz vorbeischauen, wo sich seit Jahrzehnten traditionell alle Möhnen zum Aufwärmen treffen.

"Und, ganz wichtig", fügt Hedi Müller hinzu: "Bützen immer nur in der Öffentlichkeit, niemals heimlich. Alles, was Sie öffentlich machen, ist ok. Alles, wofür Sie in eine Seitengasse gehen müssten, ist verboten."

(RP/ila/top/jco)
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