Düsseldorf Fender – mehr als nur eine Gitarre

Düsseldorf · Wenn Leidenschaft auf Business trifft: Im Apollo stellte die berühmte Gitarrenmarke ihren Händlern neue Produkte vor.

 Die Gitarren sind der Star. Der britische Fender-Manager Oliver Hall, der die neuen Modelle präsentiert, ist nur als Silhouette zu sehen.

Die Gitarren sind der Star. Der britische Fender-Manager Oliver Hall, der die neuen Modelle präsentiert, ist nur als Silhouette zu sehen.

Die Männer, die am Montag das Apollo Varieté betreten, sehen aus wie Erwachsene. Doch die grauen Haare und die Hemden täuschen. Es sind 150 Kinder aus Deutschland, Schweiz, Österreich und Benelux, die ab 11 Uhr ins Foyer tröpfeln und später im Saal Platz nehmen. Details überführen sie: lange Haare, ausgewaschene Jeans, ein T-Shirt von Pink Floyd, Schweißbänder, Chucks. Chucks besonders. Gleich geht der Vorhang auf und dann. . .

Der Instrumentenhersteller Fender beliefert seit mehr als 50 Jahren die halbe Welt mit Gitarren, Bässen und Verstärkern. Die Fender Stratocaster ist neben der Gibson Les Paul die bekannteste E-Gitarre der Welt. Es gibt einen eigenen Wikipedia-Eintrag, welche berühmten Gitarristen sie gespielt haben. Sie umfasst so ziemlich jeden von Jimi Hendrix bis George Harrison. Die deutsche Zweigstelle von Fender hat ihren Sitz seit Anfang der 90er in Heerdt. Und weil das Unternehmen seinen Händlern die neuen Produkte nicht einfach bloß im Katalog zeigen wollte, lud es sie für diese Woche zur "Summer Products Show 2013" ins Apollo Varieté ein. Musik ist Kunst. Apollo ist Kunst. Sagt Oliver Schwung, Marketingchef von Fender Deutschland. Und Betreiber Bernhard Paul sammelt E-Gitarren. Passt doch.

Und so ist das Apollo Varieté am Montag der Ort, an dem Leidenschaft und Geschäft aufeinandertreffen. Kein Ort, an dem sich E-Gitarren befinden, ist weniger Rock'n'Roll, aber kein Ort, an dem es ums Business geht, ist mehr Rock'n'Roll. Denn der Tag läuft ungefähr so ab: Produktpräsentation, Live-Musik, Produktpräsentation, Live-Musik, Produktpräsentation. Live-Musik heißt: Das Akustik-Trio Supacoustix, drei Männer Mitte 40, covert in der "Konzertmuschel" neben der großen Bühne Songs, darunter "Wicked Game" von Chris Isaak, "So Lonely" von The Police, "Kiss" von Prince, also Songs, mit denen sie selbst aufgewachsen sind, wie so viele in dem Saal. Unter 40 ist kaum jemand.

Produktpräsentation heißt: Der Vorhang öffnet sich, und ein Verantwortlicher von Fender oder eines Tochterunternehmens kommt auf die Bühne und stellt Neuheiten aus seinem Bereich vor. Viele Produkte hat er dabei, das meiste aber läuft über Powerpoint. Zwischen Powerpoint und Rock'n'Roll liegt ein ganzer Kontinent. Männer sagen in den Präsentationen Sätze wie "Das allerschönste Lautsprecherkabel, das ich je gesehen habe." Einer berichtet davon, wie ein neuer Edel-Verkaufsständer die Einnahmen des Händlers versonstwasfacht. Es geht um Rabatte und Sonderaktionen. Gitarren tragen Namen mit Zusätzen wie "Supreme", "Special", "Deluxe". Die Benennung einer Gitarre scheint ein genauso schwerer Akt zu sein wie die Benennung einer Band. Es fallen Worte wie "Cats Eye Sound Hole", "New Pickup", das ist keine Veranstaltung für Laien, sondern für Profis. Doch auch für sie wird die Luft irgendwann dünn, ein bisschen riecht es wie im Partykeller, wenn die Elektrogeräte heißgelaufen sind.

Da ist es gut, wenn ab und zu mal ein Mitglied der Supacoustix auf die Bühne kommt und auf einer neuen Gitarre spielt. Manchmal kracht es, manchmal ist der Sound klar, je nach Verstärker, je nach Gitarre. Da ist es auch gut, dass der Brite Oliver Hall, der sich Senior Product Manager for Fender Europe nennt, ein paar Fotos an die Wand wirft, die er in der "crazy file" sammle, also im Ordner für Durchgeknallte. Diese Fotos zeigen zugesandte Privatfotos von Musikern, die Fender-Gitarren spielen, von jungen Punks bis Senioren. Es gibt auch Menschen, die sich eine Gitarre auf ihren Körper haben tätowieren lassen.

Es sind die Momente, in denen die Händler sich am ehesten daran erinnern, worum es ihnen eigentlich geht. Nicht ums Business. Sondern um Gefühle. Die Gitarre ist ein Gegenstand, der etwas in ihnen auslöst. Wen auch immer man fragt, keiner hat angefangen, sich mit der Gitarre zu beschäftigen, weil er Händler werden wollte. Die Biografien gleichen sich: Irgendwann in seiner Kindheit oder Jugend hatte man diese Gitarre in der Hand, irgendwann floss Strom durch die Gitarre, und der Strom floss auch durch den eigenen Körper. Zum Beispiel Gregor Imbusch. Er ist 43 und Leiter der Abteilung E-Gitarren im Music Store Professional in Köln, einem der größten Kaufhäuser für Instrumente in Europa. Imbusch hat sich mit 13 die erste Gitarre gekauft, die zweite war eine Stratocaster, das Richtige für seine Punkband. Er beschreibt die Beziehung zur Gitarre so: "Das ist für mich schon immer Abschalten gewesen. Das Hier und Jetzt zu genießen."

Und so sind diese Menschen nicht in erster Linie Händler, sondern Gitarrenfans, die so einen Weg gefunden haben, auch im Beruf möglichst viel mit dem Instrument zu tun zu haben. Sie haben sich dieses Gefühl bewahrt, das sie als Kinder und Jugendliche hatten. Gitarrenfans sind Kinder im Körper von Erwachsenen. Bernhard Paul sammelt ja nicht nur Gitarren, er leitet nicht nur den Circus Roncalli. Er ist auch einer der berühmtesten Clowns der Welt. Und sind Clowns erwachsen?

(RP)
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