Dinslaken Ein Hünxer zieht das Glückslos

Dinslaken · Angehende Daimler-Maschinenbau-Ingenieure müssen über den Tellerrand blicken. So wie Sven Spickermann. Der 22-jährige Hünxer absolviert ein achtwöchiges Praktikum in Japan – im Mitsubishi Fuso Werk in Kitsuregawa.

Angehende Daimler-Maschinenbau-Ingenieure müssen über den Tellerrand blicken. So wie Sven Spickermann. Der 22-jährige Hünxer absolviert ein achtwöchiges Praktikum in Japan — im Mitsubishi Fuso Werk in Kitsuregawa.

7. Juli 2008, 9.32 Uhr japanischer Ortszeit. Ich betrete das erste Mal in meinem Leben nicht europäischen Boden. Der Himmel ist stark bewölkt, und es nieselt ein wenig. Kein Wunder, denn seit Mitte Juni herrscht in Japan Regenzeit. Die Luftfeuchtigkeit ist immens hoch, und die ersten Atemzüge fallen schwer. Nachdem ich aus dem Flugzeug gestiegen bin, laufe ich einfach der Masse hinterher. Unter den 300 Fluggästen waren maximal 15 Europäer. Am Flughafen ist jedoch alles sowohl in Japanisch als auch in Englisch ausgeschildert, so dass ich mich leicht zurechtfinde.

Foto und Fingerabdrücke

Nachdem ich die Passkontrolle passiert habe und von mir ein Foto gemacht und Fingerabdrücke genommen wurden, hole ich mein Gepäck. Als ich am Gepäckband ankomme, sehe ich schon meinen Koffer — diese Art von Schnelligkeit ist typisch für Japaner. Ich finde nach halbstündiger Suche den richtigen Schalter, an dem ich mein Ticket ins 120 Kilometer nördlich gelegene Utsunomiya lösen kann. Da ich im Flugzeug vor lauter Aufregung nicht schlafen konnte, packt mich die Müdigkeit während der 2,5 stündigen Busfahrt.

Utsunomiya, 14 Uhr, ich treffe am Hauptbahnhof ein. Es sind noch etwa zwei Stunden, bis mich mein Gastvater Maruyama-san abholen wird, und so beschließe ich gegen die Müdigkeit einen Kaffee zu trinken. Mit all meinen Sachen schleppe ich mich zu einem Starbuck‘s Cafe. Nach und nach registriere ich die auf mich gerichteten Blicke der Gäste und des Personals.

Spätestens nach dem ich meine Bestellung aufgegeben habe, hat das gesamte Cafe meine Anwesenheit zur Kenntnis gekommen. Nachdem ich an einem freien Tisch Platz nehme, beobachte ich mit Neugier das Verhalten der Japaner. Sie versuchen ganz unauffällig zu mit rüberzuschauen. Es scheint so, als würden sie sich verstecken wollen und heimlich das ein oder andere Mal zwischen den kleinsten Lücken spähen. Während meiner Vorbereitungen las ich zwar das man als Europäer in Japan als besonders gilt, jedoch hätte ich das in diesem Maße niemals erwartet.

16 Uhr, es ist endlich soweit, ich lerne meinen Gastvater kennen. Er begrüßt mich traditionell und nimmt mir sofort mein Gepäck ab. Während der zehn Minuten Autofahrt fällt mir ein Stein vom Herzen, da wir uns gut auf Englisch verständigen können. Wir fahren in ein Wohngebiet, dessen Aufbau mir wie ein Labyrinth erscheint. Vor einem kleinen Häuschen bleiben wir stehen.

Bevor wir sein Haus betreten stellt er mich seinen Nachbarn vor, die gerade zufällig vor ihrem Haus stehen. Nach japanischer Begrüßung versteh ich nur das Wort "Doitsu" (Deutscher). Daraufhin verschwindet die Nachbarin für kurze Zeit im Haus und kommt anschließend mit einem Säckchen Kartoffeln wieder hinaus, die sie mir mit einem herzlichen Lächeln in die Hand drückt. Den Ruf der Kartoffelesser werden wir wohl nie los.

Nun betrete ich das erste Mal ein japanisches Haus. Traditionell ziehe ich im Hausflur meine Straßenschuhe aus und Gasthausschuhe an. Maruyama-san zeigt mir kurz sein Haus und mein Zimmer. Das Zimmer ist etwa zwölf Quadratmeter groß und hat ein Bett. Dieses Zimmer bewohnt normalerweise der Sohn des Hauses, wenn er während seiner Semesterferien zuhause ist. Kurz darauf lerne ich Maruyama-san‘s Frau Atsuko kennen. Es überrascht mich positiv, dass sie gebrochen Englisch spicht. Auch Atsuko empfängt mich herzlich und bittet mich zu Tisch.

Da ich mich in Deutschland bisher immer davor gedrückt habe mit Stäbchen zu essen, ist es nun Zeit für die Premiere. Anfangs fällt es mir etwas schwer, doch mit der Zeit funktioniert es verhältnismäßig gut. Viele der aufgetischten Speisen esse ich zum ersten Mal, beispielsweise Tofu, Algen und Fisch, den ich nicht identifizieren kann. Das Essen schmeckt mir außerordentlich gut. Es mag daran liegen, dass ich allgemein gerne Seafood esse.

Nachdem Essen übergebe ich meine Gastgeschenke, die mit großer Freude entgegen genommen werden. Es sind Bücher über Deutschland, Lindt-Schokolade und Gummibärchen. Anschließend fahre ich mit Maruyama-san noch zum Hauptbahnhof von Utsunomiya, damit ich für die kommenden Wochen weiß, wie ich zur Arbeit komme. Nach unserer Rückkehr falle ich vollkommen erschöpft ins Bett. Schließlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt seit mehr als 30 Stunden nicht mehr richtig geschlafen, und am nächsten Morgen sollte mein erster Arbeitstag sein.

Durchweg positive Eindrücke

Meine ersten Eindrücke über Japan sind durchweg positiv. Es scheint als hätte ich ein Glückslos mit meiner Gastfamilie gezogen und sowohl Arbeit als auch Arbeitskollegen im Mitsubishi Fuso Werk in Kitsuregawa sind super. Über einen klassischen japanischen Arbeitsalltag in diesem Werk, der ganz andere Seiten als der europäische aufweist, werde ich in der nächsten Woche ausführlich berichten.

(RP)
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