Relikte aus Nazi- und Kolonialzeit Wenn der Name zur Belastung wird

Relikte aus Nazi- und Kolonialzeit · Nach einem Streit um den Namen der Agnes-Miegel-Realschule in Düsseldorf will die Schule sich umbenennen. Aber auch andernorts erinnern Straßenschilder und Schulnamen an umstrittene Personen aus der Zeit des Nationalsozialismus oder des Kolonialismus.

Dubiose Straßennamen
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Foto: RP, T. Busskamp

düsseldorf Die schlimmsten Verbrecher sind nach 1945 aus dem Straßenbild verschwunden: Wer heute in Düsseldorf über die Benrather Straße fährt, weiß oft nicht, dass sie einmal Hermann-Göring-Straße hieß. Und den wenigsten, die über die Graf-Adolf-Straße gondeln, ist bekannt, dass der Namenspatron dieser Hauptverkehrsachse vor dem ehrenwerten Begründer der Stadt Düsseldorf einst Adolf Hitler war. Bei der Entnazifizierung nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die offensichtlichen Zeichen der Nazi-Diktatur getilgt. Doch noch immer gibt es braune Flecken im Schilderwald. Nicht nur in Düsseldorf, nicht nur auf Straßenschildern. Sie finden ihren Niederschlag auch in Schulnamen und Plätzen. Ein mitunter schwieriges Erbe. Jüngstes Beispiel: die Agnes-Miegel-Schule in Düsseldorf.

Die Realschule genießt einen guten Ruf. 50 Jahre lang war Agnes Miegel (1879-1964) die Namenspatronin. Jetzt ist eine Diskussion über die Balladendichterin entbrannt. Denn jenseits ihres künstlerischen Werks war sie eine überzeugte Nationalsozialistin; 1940 verfasste sie die "Ode an den Führer" ("Nicht mit der Jugend überschäumendem Jubel erlebt ich das Wunder Deines Nahns. . . Wiedergekehrt durch Dich, - daß sie alle, mir in der Seele, mir im Blute noch lebend, mit mir Dich segnen!").

So ganz wohl war Schulleiterin Petra Steudel bei dem Namen nie. Doch für sie gab es praktische Gründe, nicht daran zu rütteln. "Unsere Schule besteht fast hundert Jahre. In der Zeit hat es fünf Namenswechsel gegeben", sagt Steudel. "Die Dichterin ist heute weitgehend unbekannt. Wir dagegen sind etabliert, unsere Schulabgänger sind gefragt. Wenn wir den Namen ändern, sind wir wieder eine unbekannte Schule", erklärt Steudel. Eine E-Mail gab den Anstoß für die jetzige Debatte. Inzwischen steht auch für die Schulleiterin fest: "Wir nehmen das zum Anlass und ändern jetzt den Namen." Spätestens 2010 soll der Namenswechsel vollzogen sein - pünktlich zum 100-jährigen Bestehen der Schule.

Die Düsseldorfer Realschule ist mit der umstrittenen Namenspatin nicht allein. Agnes Miegel taucht in der Region mehrfach auf. In Willich existiert eine Agnes-Miegel-Grundschule, in Haan gibt es einen Agnes-Miegel-Weg. Die Straßen eines Neubaugebiets wurden nach deutschen Dichterinnen benannt. Agnes Miegel wird da zwischen Else Lasker-Schüler und Annette von Droste-Hülshoff geehrt. Ein Vorschlag der SPD, die Straße umzubenennen, stieß auf wenig Gehör. Die Argumente: Anderswo gäbe es auch einen Agnes-Miegel-Platz, und überhaupt: Die Adressenänderung wäre ein riesiger Aufwand.

Frank Dittmeyer von der Geschichtswerkstatt Oberhausen kennt die Argumente für und gegen eine Umbenennung. Straßenschilder müssen ausgetauscht, Ausweise und Briefköpfe geändert werden. Viel Aufwand, hohe Kosten, sagen die Gegner. Oftmals sei die Bedeutung über die Jahre verloren gegangen, räumt Dittmeyer ein. Doch letztlich sei es eine politische Entscheidung. "Straßennamen sind Ausdruck einer Ehrung."

Ob etwa Carl Diem diese Art der Würdigung verdient, ist umstritten. In Langenfeld, in Mönchengladbach, in Neuss und Bedburg-Hau sind Straßen nach dem Gründer der Kölner Sporthochschule und dem Erfinder des Sportabzeichens benannt. Doch der Sportfunktionär sympathisierte wohl ebenfalls mit den Nationalsozialisten. 1945, als der Krieg längst verloren war, soll er die Hitlerjugend aufgefordert haben, sich fürs Vaterland zu opfern. In Bedburg-Hau entschloss man sich zur Umbenennung. In Langenfeld und Mönchengladbach blieb Diem verewigt, in Neuss beschloss der Stadtrat nach langer Diskussion, die Angelegenheit auf Eis zu legen, bis die Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Uni Münster über Carl Diem vorliegen.

Viele Zeitgenossen nehmen auch an "Afrika-Kämpfern" aus der Kolonialzeit Anstoß. In Düsseldorf-Urdenbach sind sie scharenweise vertreten: Carl Peters, wegen seines rücksichtslosen Vorgehens in Ostafrika auch "Hänge-Peter" genannt, Theodor Leutwein, Carl Woermann, Franz Adolf Lüderitz. Für Dieter Jäger von der Geschichtswerkstatt Düsseldorf sind das "üble Kerle". "Es liegt mir schwer im Magen, dass sie auf diese Weise geehrt werden", sagt der ehemalige Lehrer. Ihm bereiten auch kriegerische Straßennamen wie Blücher, Sedan, Tannenberg Unbehagen. Ob auch darüber einmal gestritten wird?

(RP)
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