Haan Tagesmütter in Existenzangst

Haan · Die Großpflegestellen haben keine Kinder. Die 18 Plätze in der neuen geschaffenen Waldgruppe der Kita Heinhauser Weg in Gruiten lösten eine Kettenreaktion aus. Das Jugendamt räumte personelle Probleme ein, die bald gelöst werden sollen.

Haan: Tagesmütter in Existenzangst
Foto: dpa, Arno Burgi

Die "Knirpskiste" an der Prälat-Marschall-Straße hat neun Plätze frei. Die Gruppe "Plapperfrösche" am Eschenweg weist zum 1. August drei Vakanzen auf und ob Katja Clever ihre an der Vohwinkeler Straße geplante Großtagespflege verwirklichen kann, ist noch offen. Die Tagespflegepersonen in Gruiten haben Existenzängste. Denn vom Jugendamt werden keine Kinder vermittelt. Und wenn Eltern einen Vertrag geschlossen haben, kann es passieren, dass sie wieder aussteigen, weil das Kind doch noch einen Platz in einer Kindertageseinrichtung erhalten hat.

"Marketing findet nicht statt"

Gerade hat es in Gruiten eine Kettenreaktion gegeben. Die Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde gründete eine Waldgruppe mit 18 Plätzen. Daraufhin gab es beim Familienzentrum St. Nikolaus einige Abmeldungen. Und als dann noch mehrere Umzüge anstanden, rief Leiterin Gabi Richartz die Eltern an, denen sie zu Jahresbeginn noch hatte absagen müssen. Unter diesen Kindern waren einige, die gerade einen Platz bei Beate Büses "Plapperfröschen" bekommen hatten und ihn wieder aufgaben.

"Die Tagespflege hat einen enormen Bedeutungswandel erfahren", stellte Elke Fischer, Abteilungsleiterin im Jugendamt, in der Jugendhilfeausschuss-Sitzung fest. In Haan müsse aber die "Akzeptanz und Gleichstellung noch gefördert werden". Heißt: Die Eltern müssen erkennen, dass die Tagespflegestellen nicht nur eine Brücke bis zum Ergattern eines Kita-Platzes sind, sondern vollwertige Betreuungsarbeit leisten. Mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Betreuung schon ab dem ersten Lebensjahr (ab 1. August 2013) ist die Stadt dringend auf die Pflegestellen angewiesen. Nur: Noch besteht kein Rechtsanspruch. Tatsächlich erhalten nur Eltern, die mindestens 15 Stunden in der Woche arbeiten, einen Zuschuss von 4,50 Euro je Stunde. Die Differenz zum Entgelt in der Pflegestelle — bei den "Plapperfröschen" wären dies zwei Euro — müssen die Eltern aus eigener Tasche tragen. Erhalten sie keinen Zuschuss, müssen sie alles zahlen. "Ich arbeite jeden Tag 12 Stunden, oft schon ab sechs Uhr früh und auch an Wochenenden", umreißt Beate Büse die Arbeitsbedingungen. Vom Stundensatz von 6,50 Euro je Kind müssen sämtliche Kosten bestritten werden. Als sie im August 2011 keine Kinder in der Pflegestelle hatte, waren bald die finanziellen Möglichkeiten erschöpft. Mit Blick auf August scheint sich alles zu wiederholen. In ähnlicher Situation stecken auch Stefanie und Holger Kazinski. Sie bauen seit Monaten die "Knirpskiste" aus und könnten starten. Nur fehlen die Kinder. "Da stecken 35 000 Euro öffentlicher Zuschüsse drin. Und Kinder werden nicht vermittelt", wundert sich Beate Büse.

Jugenddezernentin Dagmar Formella räumt ein, dass "intensives Marketing nicht stattfindet". Die mit dieser Aufgabe beim Jugendamt betraute Halbtagskraft sei langfristig ausgefallen. Derzeit wird sie von der Mitarbeiterin vertreten, die eigentlich das "Begrüßungspaket" betreuen soll.

(RP)
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