Ruine und Fünf-Sterne-Hotel Die Burgenstraße wird 60

Bad Wimpfen · Burgen, Schlösser, Kirchen, Klöster: Auf mehr als 1400 Kilometern schlängelt sich die Burgenstraße von Mannheim nach Prag. Überall gibt es eine Fülle von Einblicken, Geschichte und Geschichten.

Die Wohnung von Blanca Knodel ist übersichtlich. 53 Quadratmeter, ein Raum mit vielen Nischen, Vorhängen, Deckchen - und sehr hohen Wänden. Das Beste an der Wohnung aber ist die Aussicht: Denn die Türmerin von Bad Wimpfen lebt quasi im Penthouse des Blauen Turms. Er ist Teil einer Kaiserpfalz, die vor mehr als 800 Jahren von den Staufern auf einem Bergsporn über dem Neckar errichtet wurde. Seit fast 20 Jahren wohnt sie nun schon dort oben.

Die wenigsten Bauwerke in Deutschland haben überhaupt noch einen Türmer, der den Turm rund um die Uhr bewohnt. Blanca Knodel kann sich allerdings keinen schöneren Job für sich vorstellen. "Ich habe den ganzen Tag mit interessanten Menschen zu tun, die überrascht sind, wie man hier oben lebt und die Aussicht genießen", sagt sie. Schweißtreibende 134 Stufen muss der Besucher bewältigen, um mit einem Gläschen Sekt anzustoßen - oder einfach den Eintritt zu bezahlen für die letzten 33 Stufen auf die Zinnen des Blauen Turms.

"Heute ist es ja recht komfortabel hier oben", sagt sie. Anders sah es zu der Zeit aus, als die Türmer noch für die Sicherheit der Stadt zuständig waren. Bei Wind und Wetter saßen sie da, 53 Meter über der Stadt, und mussten auf der Hut sein, damit sämtliche Feinde vor den Stadttoren blieben. Oder die Feuer melden, die regelmäßig ausbrachen. So ähnlich war es auch auf der Burg Guttenberg, wenige Kilometer von Bad Wimpfen entfernt. Dort leben die Freiherren von Gemmingen - und sie haben so einiges erlebt in ihren alten Gemäuern. "Die Stauferburg ist eine der wenigen Burganlagen aus dem 12. Jahrhundert, die nie zerstört wurde und noch immer von den Burgherren bewohnt ist", sagt Hausherr Bernolph von Gemmingen. Der heutige Burgherr ist Unternehmer und Chef der Deutschen Greifenwarte, bei deren Flugvorführungen Adler, Geier, Uhus und andere Vögel in die Luft gehen.

Bad Wimpfen, Guttenberg, das Schloss Lehen in Bad Friedrichshall-Jagstfeld oder die Burg Hornberg - alles Beispiele, wie die deutsche Burgenstraße durch das Neckartal führt und innerhalb nur weniger Kilometer nicht nur Burgruinen, sondern sich bewohnte Anlagen und Burghotels aneinanderreihen. Im Westen schließt sich Schwetzingen an mit seiner Schlossanlage und dem ausladenden Schlosspark. Und natürlich, nur wenige Kilometer weiter, Heidelberg mit den vielen Studenten und der Schlossruine, die hoch über dem Neckar thront.

Doch das ist nur das westliche Ende der Burgenstraße. Sie ist ein weit größeres Gebilde: Von Mannheim führt sie bis nach Prag, 1425 Kilometer von West nach Ost verläuft dieser Verbund von Orten, die mit Kirchen, Schlössern und Burgen aufwarten können. "Die Burgenstraße ist eine der ältesten Vereinigungen in Deutschland", sagt Geschäftsführerin Ariane Born. In diesem Jahr feiert die Burgenstraße ihren 60. Geburtstag.

Die Kirchen und Klöster, die es auf dem Weg von Mannheim bis Prag gibt, warten ebenfalls mit so mancher Besonderheit auf. Zum Beispiel in Bad Wimpfen, jenem Ort mit der sympathischen Türmerin: Dort gilt die Stiftskirche St. Peter als eines der bedeutendsten Bauwerke der frühen Gotik in Deutschland. Das Kirchenschiff ist es, das einen nicht loslässt - und man weiß nicht so recht, warum eigentlich. Des Rätsels Lösung ist etwas schräg, im Wortsinn. Die Kirche wurde in mehreren Abschnitten gebaut und erweitert, in einer Zeit, da man Kirchen noch ostete. So auch in Wimpfen. Auch hier haben die Kirchenbaumeister das Gemäuer nach Osten ausgerichtet. Allerdings hatten die Erbauer wohl eine etwas andere Auffassung der korrekten Himmelsrichtung. Denn der Mittelgang der Stiftskirche St. Peter hat einen Knick.

(RP)
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