Hannover: Bunker wird zur Reha-Klinik für Fledermäuse

Fledermäuse gab es schon vor 60 Millionen Jahren. Doch die Flugkünstler sind bedroht. In Hannover werden verwundete Tiere aufgepäppelt.

 Fledermaus-Station Hannover

Fledermaus-Station Hannover

Foto: dpa, ole jhe

<p>Fledermäuse gab es schon vor 60 Millionen Jahren. Doch die Flugkünstler sind bedroht. In Hannover werden verwundete Tiere aufgepäppelt.

Im Mittelalter wurden sie als Helfer des Teufels gefürchtet, und noch heute sind Fledermäuse vielen Menschen unheimlich. Renate Keil dagegen wohnt mit Dutzenden schwarzen Flattertieren zusammen. Vor fünf Jahren hat sie sich ganz dem Schutz dieser fliegenden Säugetiere verschrieben. Die Tierärztin pflegt kranke und verletzte Fledermäuse zu Hause und hat dafür sogar ihre eigene Praxis aufgegeben. Wenn die Patienten einigermaßen fit sind, ziehen sie in einen alten Luftschutzbunker in Hannovers Fledermauszentrum um. Wie in einer Reha-Klinik werden sie hier mit Flugübungen auf das Leben zurück in Freiheit vorbereitet.

"Das Flugtraining ist wichtig, damit die Muskeln nicht verkümmern", sagt Renate Keil, die Fledermaus-Silberschmuck trägt. In der Natur jagen die Nachtschwärmer im Flug Insekten. In Gefangenschaft ist dies nicht möglich, als Futter dienen Mehlwürmer. Das Zentrum wird vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit ehrenamtlichen Mitarbeitern betrieben. Sie tragen Handschuhe, um sich nicht mit Krankheiten zu infizieren. Im Moment sind etwa 60 Tiere in den Volieren untergebracht - von der drei Gramm leichten Zwergfledermaus bis zum Großen Abendsegler mit einer Flügelspannweite bis zu 40 Zentimeter.

"Sie sind intelligent und werden schnell sehr zutraulich", sagt die Tierärztin im Behandlungsraum des Bunkers und greift plötzlich an den Rollkragen ihres Pullovers, aus dem ein pelziges Etwas krabbelt. "Das ist Biene, sie kam als verloren gegangenes Baby und hat angeboren zu kurze Flügel", erläutert Keil. Daher habe Biene nie ausgewildert werden können. Das zahme Breitflügel-Weibchen ist seit drei Jahren Renate Keils ständige Begleiterin und eine Werbebotschafterin bei Vorträgen.

Alle 24 in Deutschland vorkommenden Arten sind bedroht. Für ihren Schutz können beispielsweise Hausbauer Fledermauskästen gleich mit einmauern lassen. Außerdem sollten alte Bäume mit Höhlen nicht gefällt werden. Die meisten verletzten Tiere, die im Bunker aufgepäppelt werden, sind Katzen- oder Baumfällopfer. Viele seien auch in Klebefallen für Fliegen hängengeblieben, berichtet die Leiterin des Zentrums.

Die Windkraftanlagen in Deutschland stellen darüber hinaus eine große Gefahr dar. Nach Schätzungen kommen bundesweit bis zu 300 000 Fledermäuse in den Rotorblättern ums Leben. Christian Voigt vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung hat an Windrädern getötete Tiere untersucht und herausgefunden, dass mehr als ein Viertel von ihnen aus Nordosteuropa stammten. Bestimmte Arten ziehen im Winter in wärmere Gebiete. Bei der Umsetzung der Energiewende müsse gewissenhafter auf den Fledermausschutz geachtet werden, fordert der Biologe.

Andreas Streit setzt sich als oberster Fledermausschützer der Vereinten Nationen für die Jäger der Nacht ein. Er leitet das in Bonn ansässige UN-Sekretariat zur Erhaltung der Fledermäuse in Europa (Eurobats) und betont die wichtige Funktion der Insektenjäger für die Land- und Forstwirtschaft. "Ohne Fledermäuse müssten nachtaktive Schädlinge mit Pestiziden bekämpft werden", sagt Streit.

Das Zentrum in Hannover wildert gesund gepflegte Fledermäuse wieder aus, doch ständig kommen neue Patienten. Sie erhalten Vitamine, Wunden werden mit Salbe und Laserlicht behandelt. Verletzte Flügel werden genagelt und können so heilen. Bei älteren Tieren entfernt Renate Keil sogar den Zahnstein aus dem winzigen Gebiss. "Wir wollen den Tieren die Zeit hier so erträglich machen wie möglich", sagt sie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort