Wie Tiere trauern

Tiere zeigen häufig Verhaltensweisen, die an menschliche Trauer erinnert. Doch sind die Gefühle wirklich vergleichbar?

Wie Tiere trauern
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<p>Tiere zeigen häufig Verhaltensweisen, die an menschliche Trauer erinnert. Doch sind die Gefühle wirklich vergleichbar?

14 Jahre lang wacht ein Hund am Grab seines Herrchens. Tag für Tag, bis zu seinem eigenen Ableben. Nur zur Mittagsstunde verlässt der Terrier angeblich die letzte Ruhestätte seines verstorbenen Freundes, um sich im nahe gelegenen "Coffee House" die ein oder andere Mahlzeit zu erschnorren.

Die Legende von Greyfriars Bobby gilt noch heute für den Inbegriff der Treue von Hunden – und als ein Beispiel für trauernde Tiere. Schon kurz nach seinem eigenen Tod 1872 wurde dem Hund in seiner schottischen Heimatstadt Edinburgh ein Denkmal errichtet. "Lasst seine Treue und Ergebenheit uns allen eine Lehre sein", steht zudem auf einem Gedenkstein an der Stelle, an der das Grab des Vierbeiners vermutet wird.

Doch sind Tiere wirklich in der Lage, den Tod zu begreifen und ein so menschliches Gefühl wie Trauer zu empfinden? "Ob Tiere in menschlichem Sinn trauern, ist eine Sache der Interpretation", sagt die auf Katzen spezialisierte Tier-Psychologin Gabriele Müller. Beispiele für Tiere, bei denen nach dem Verlust eines Artgenossen Veränderungen im Verhalten festzustellen sind, gibt es zuhauf.

Gorilla-Mutter lässt totes Baby nicht los

Die Bilder von Gorilla-Dame "Gana", die im Zoo Münster ihr totes Baby "Claudio" noch tagelang mit sich herumtrug, ging 2008 um die Welt. In der freien Natur ist dieses Verhalten bei Menschenaffen häufig zu beobachten. Auch bei Delfinen und Elefanten wurden immer wieder Verhaltensweisen beobachtet, die an die menschliche Trauer erinnern. "Ich weiß zudem, dass manche Katzen sich an den verstorbenen Artgenossen kuscheln - noch stundenlang", sagt Müller.

Darüber, ob die Tiere schlicht und einfach nicht verstehen, dass ihre Artgenossen tot sind oder tatsächlich auf diese Weise von ihnen Abschied nehmen, sind sich die Biologen indes uneinig. Der britische Zoologe Iain Douglas-Hamilton und sein Team berichteten von einer Elefantenherde, die nach dem Tod einer Elefantenkuh Tag für Tag zu deren Kadaver zurückkehrte und dafür einen kilometerlangen Marsch von der Wasserstelle bis zur toten Artgenossin auf sich nahm.

"Das Verhalten der Elefanten ist mit denen von Menschen vergleichbar", schreibt der Forscher danach in seiner Studie. "Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Empfindungen wie Mitgefühl nicht der menschlichen Spezies vorbehalten sind." Den Begriff Trauer vermeidet er jedoch bewusst. "Prinzipiell geht die Tendenz auch bei Biologen mittlerweile dahin, Tieren Gefühle zuzusprechen, weil sich diese – genau wie beim Menschen – neurologisch bzw. biochemisch nachweisen lassen", sagt Müller.

Indivduelle Trauer

Die Wuppertaler Katzen-Psychologin ist überzeugt, dass auch die Samtpfoten, obwohl ihnen gerne eine einzelgängerische Veranlagung nachgesagt wird, auf ihrer Art trauern. "Nicht mit lauten, auffälligen Geräuschen. Eher mit Rückzug oder Verweigerung des Fressens", erläutert Müller. "Manche suchen verstärkt den Kontakt zum Menschen, andere werden aggressiv und wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden – alles ist möglich. Als unser Kater Paul starb, haben wir ihn im Wohnzimmer im Körbchen liegen lassen, damit sich sein bester Freund Toby von ihm verabschieden konnte. Die beiden waren ein Leben lang zusammen und hingen aneinander, wie die Kletten. Toby hat an dem toten Paul geschnuppert und ging dann ohne eine Reaktion seiner Wege. Dennoch ist er seitdem irgendwie verändert, unruhiger."

Doch wie sollte man als Halter damit umgehen, wenn das eigene Tier nur schwer über solch einen Verlust hinwegkommt? "Hier ist Einfühlungsvermögen gefragt" sagt Müller. Denn alle Arten von Veränderungen – und schon gar ein neuer Artgenosse - sorgen meist nur für eines: noch mehr Stress. "Besser ist es, eine gewisse Zeit verstreichen zu lassen, bis zum Beispiel eine andere Katze einzieht", sagt Müller. In manchen Fällen sollten die Halter sogar ganz darauf verzichten, wieder ein Tier ins Haus zu holen: "Vor allem ältere Katzen akzeptieren das Alleinsein eher, als einen neuen Artgenossen", erläutert die Tier-Psychologin.

(areh)
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