Studie der Techniker Krankenkasse "Arzneimittel - Zwei Milliarden Euro Einsparungen wären möglich"

Berlin · Die Kosten im Gesundheitswesen sind wieder einmal in den Fokus gerückt: Die Techniker Krankenkasse (TK) hat an die Ärzte appelliert, bei ihren Verschreibungen stärker auf den Kosten-Nutzen-Faktor von Arzneimitteln zu achten.

So unterscheiden sich Original und Generikum
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Foto: dpa, Matthias Hiekel

Nach einer von der TK unterstützten Studie könnten jährlich rund zwei Milliarden Euro gespart werden. Dazu sollte der Nutzen bestehender Medikamente konsequent überprüft sowie unnötig teure Arzneimittel durch billigere wirkstoffgleiche Mittel, sogenannte Generika, ersetzt werden.

TK-Chef Jens Baas sagte am Mittwoch in Berlin, seine Kasse stelle die Verschreibungsfreiheit des Arztes keineswegs infrage. Um das Verhältnis von Kosten und Nutzen eines Arzneimittels aber besser einschätzen zu können, wolle man den Ärzten Daten als Leitlinien zur Verfügung stellen.

Bei den Ärzten stelle er grundsätzlich eine große Bereitschaft dazu fest, sagte Baas. Die Pharmaindustrie vermeide es aber in der Regel, ihre Kenntnisse über ein Präparat zur Verfügung zu stellen. Somit fehle den Ärzten eine Grundlage, um bei der Verschreibung eines Medikamentes ein profundes Urteil über das Verhältnis von Kosten und Nutzen abgeben zu können.

Grundlage der Einschätzungen des TK-Chefs ist ein sogenannter Bestandsmarktreport 2014 des Bremer Zentrums für Sozialpolitik. Darin heißt es, durch die politische Entscheidung Anfang des Jahres, den Bestandsmarkt nicht mehr zu überprüfen, würden Krankenkassen und letztlich auch Versicherte weiterhin mit Ausgaben für Arzneimittel belastet, deren Zusatznutzen nicht nachgewiesen sei.

Der Report, der erste seiner Art, hat den Angaben zufolge 17 Wirkstoffe auf ihren Zusatznutzen im Vergleich zu vorhandenen Therapieoptionen bewertet. Es seien Präparate im oberen Preissegment, die in der Vergangenheit nicht unumstritten gewesen seien, darunter neuere Antidiabetika und Rheuma-Medikamente. Keines der untersuchten Arzneimittel sei ohne Beanstandungen. Gerade die bewerteten teuren Antidiabetika hätten keine Vorteile gegenüber den bewährten Therapien erbracht, hieß es in dem Bericht der Forschergruppe um den Bremer Sozialwissenschaftler Gerd Glaeske.

Ursprünglich sollten nicht nur neu auf den Markt kommende Medikamente bewertet werden, sondern auch Mittel des Bestandsmarkts. Der Gesetzgeber schaffte aber den geplanten Bestandsmarktaufruf Anfang 2014 ab, weil unlösbare rechtliche Probleme befürchtet worden seien, erläuterte Glaeske. Baas räumte ein, dass es praktisch unmöglich sei, die zwei Milliarden Euro für die Versicherten auf dem Weg der Bestandsmarktüberprüfung auch tatsächlich zu erwirtschaften.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) nannte die Studie "ein politisch motiviertes Dokument ohne tragfähiges wissenschaftliches Fundament". Die Bewertung von Arzneimittel dauere bis zu 18 Monate. Wenn Glaeske für sich und seine Mitarbeiter in Anspruch nehme, solche Bewertungen für 17 Arzneimittel durchgeführt zu haben, könne es sich "wohl kaum um eine tragfähige wissenschaftliche Auswertung handeln". Dieser Report könne jedenfalls keine Hinweise für Therapieentscheidungen geben.

Die Linke nannte die Nutzenbewertung von Arzneimitteln des Bestandsmarkts unentbehrlich für die Therapiesicherheit. "Ihre Abschaffung hat auch ein großes Loch in das Fundament der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel gerissen. Dadurch kann die Pharmaindustrie ihre Mondpreise fortschreiben", erklärt Kathrin Vogler, Sprecherin für Patientenrechte der Linken-Fraktion. "Dass Schwarz-Rot ein Pharmagesetz von FDP-Minister (Philipp) Rösler entschärft, ist doch ein Treppenwitz."

(dpa)
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