Antibiotikaresistente Bakterien im Stall Welches Risiko besteht für den Menschen?

Berlin · Wenn Tiere im Stall rein präventiv mit Antibiotika behandelt werden, dann geschieht das eigentlich, um den Menschen vor Krankheiten zu schützen. Das Gegenteil aber ist der Fall: Immer mehr Lebensmittelskandale zeigen, dass die Gabe von Antibiotika im Stall gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen hat.

So schützt man sich vor krank machenden Keimen
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Foto: Shutterstock/hxdbzxy

In Krankenhäusern und auch in Tierställen werden immer mehr Bakterien resistent gegen Antibiotika. Resistente Stämme gibt es nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung sowohl unter krankmachenden Keimen als auch unter nicht krankmachenden Bakterien auf. Sie sind eine Folge des Einsatzes von Antibiotika. Bakterienstämme, die Abwehrmechanismen gegen die eingesetzten Antibiotika entwickelt haben, können sich durch Selektion weiter ausbreiten. Das ist in den Tierställen nicht anders als in den Kliniken.

Die wachsende Antibiotikaresistenz wird zunehmend eine Gefahr in der Epidemiologie. Eingesetzt werden diese Medikamente zum Beispiel rein präventiv in der Geflügelzucht, um dort zu verhindern, dass sich in den Beständen, die auf engstem Raum gehalten werden, gefährliche Epedemien ausbreiten.

Massenhaft Antibiotika in der Tiermast

Das Landesamt für Verbraucherschutz NRW ermittelte Ende 2011, dass über 96 Prozent der Masthühner mit Antibiotika behandelt werden. Oft ist es nach dieser Studie eine Vielzahl an Wirkstoffen, die zum Einsatz kommen. Die Liste der eingesetzten Antibiotika liest sich wie eine Apothekenorder beim Großhändler: Amoxicillin, Ampicillin, Colistinsulfat, Tiamulin und neun weitere Antibiotika stehen auf der Liste der untersuchten Mastbetriebe.

Bei den behandelten Tieren haben sich antibiotikaresistente Keime gebildet, die der Mensch durch den Verzehr des Geflügels auch aufnimmt. Muss dieser später wegen einer schweren Krankheit mit Antibiotika behandelt werden, ist es möglich, dass diese Wunderwaffe ihren Dienst versagt. Die Resistenz hat sich auf den Menschen übertragen.

Bei besserer Hygiene würden weniger Menschen sterben

EU-weit sterben jährlich 25.000 Menschen an Infektionen, die durch antibiotikaresistente Bakterien hervorgerufen wurden. Nach einem aktuellen Bericht aus dem Bundesgesundheitsministerium sind es allein in Deutschland 7.500 bis 15.000 Menschen, die wegen solcher Infektionen ihr Leben lassen müssen. Bis zu 30 Prozent der Fälle wären, so der Bericht weiter, durch die bessere Einhaltung der Hygieneregeln vermeidbar.

Das das kein Horrorszenario ist, sondern bedrohliche Wirklichkeit, belegen zahlreiche Studien. Funde von resistenten Keimen sind keine neue Erkenntnis: Antibiotikaresistente Bakterien wurden sowohl bei Nutztieren wie Schweinen, Rindern oder Geflügel als auch auf Lebensmittelproben wie Schweinefleisch, Geflügelfleisch und Rohmilch nachgewiesen. Erst im vergangenen Jahr klebte ein antibiotikaresistenter EHEC-Keim auf Soja-Sprossen. Jedes zweite Hähnchen ist mit gefährlichen ESBL-Keimen verseucht, so die schockierende Meldung des Bund für Umwelt- und Naturschutz vor wenigen Wochen.

Mikrobiologen warnen vor dem leichtfertigen Einsatz vn Antibiotika bei der Behandlung üblicher Infekte, die wie im Falle einer Erkältung durch viren verursacht sind. Das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention (ECDC) informierte Ende des vergangenen Jahres darüber, dass mehrere europäische Länder Resistenzen gegenüber Reserveantibiotika gemeldet hätten.

Leichtfertiger Umgang mit Antibiotika

Untersuchungen von Geflügel-, Schweine- und Rinderbeständen zeigen außerdem, dass in den letzten Jahren das Auftreten von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) und ESBL-tragenden Bakterien zunimmt. Antibiotika sind gegen diese Keime machtlos geworden. Nur allzu leichtfertig wird nach Auffassung von Mikrobiologen in der Praxis mit Antibiotika umgegangen.

Trotz der vorherrschenden Situation ist das Bundesinstitut für Risikobewertung der Meinung, das Risiko für den Verbraucher sei gering. Würden die Grundregeln der Küchenhygiene beachtet, bestehe zumindest kaum eine Gefahr, über Lebensmittel eine Infektion mit resistenten Erregern zu bekommen.

Einsatz beschränken

"Sowohl in der Klinik als auch in der Tierhaltung muss der Einsatz von Antibiotika auf das therapeutisch notwendige Maß beschränkt werden", betont der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Professor Andreas Hensel. Statt dessen solle man in der Zucht die Haltungsbedingungen verbessern und auf die Aufzucht robuster Nutztierbestände setzen. Eine gute Impfprophylaxe, eine verbesserte Hygiene und gutes Stallmanagement gehören nach seiner Auffassung dazu.

Durch den Einsatz von Antibiotika entstehen nicht vorwiegend neue Antibiotikaresistenzen bei Bakterien. Vielmehr haben Bakterien, die meist zufällig durch Mutation resistent geworden sind, bei der Anwendung von Antibiotika einen Vorteil gegenüber nichtresistenten Stämmen und vermehren sich stärker als nichtresistente Keime.

Da Bundesinstitut für Risikobewertung schon seit einiger Zeit bekannt ist, dass vor allem Erreger, wie zum Beispiel Salmonella und Campylobacter im Fleisch vorkommen und vorhandene Antibiotika dagegen wirkungslos sind, hat man bereits vor vier Jahren die Deutsch Antibiotika-Resistenz-Strategie (DART) ins Leben gerufen. Sie zielt darauf ab, des Problems unter Nutztierbeständen und auch in humanmedizinischer Sicht Herr zu werden. Doch wie jüngste Skandale zeigen, ist das bislang nicht gelungen. Bis 2013 gibt man sich Zeit, alle Vorhaben, die die DART vorsieht, umzusetzen.

(wat)
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