Regeln beachten An den Haken genommen — Fahren mit Anhängern

Losheim/Stuttgart (rpo). Irgendwann kommt jeder in die Situation, sein Auto mit einem Anhänger fahren zu müssen. Dazu muss man nicht umziehen, ein großer Schrank aus dem Möbelgeschäft reicht meist schon aus. Wer zum ersten Mal mit einem Anhänger fährt, für den stellen sich viele Fragen: Was darf das Auto ziehen, wie schnell darf man fahren?

Und wie ändert sich das Fahrverhalten? Auch Reiter, Bootsbesitzer oder Wohnwagenurlauber müssen sich mit diesen Fragen beschäftigen, wenn sie ein neues Gespann zusammenstellen. "Prinzipiell darf jedes Auto jeden Anhänger ziehen", sagt Hans-Georg Marmitt, Pressesprecher der Sachverständigen-Organisation KÜS in Losheim am See (Saarland). Allerdings ist vorher ein Blick in den Fahrzeugschein erforderlich. Denn unter der Rubrik "Anhängelast" oder den Ziffern O.1 und O.2 in den neuen Papieren sei aufgeführt, wie schwer ein Anhänger mitsamt Ladung sein darf.

Unterschieden wird zwischen Hängern mit und ohne eigene Bremse. "Die dort eingetragenen Werte dürfen nicht überschritten werden", warnt Marmitt. Außerdem gibt der Führerschein eine Beschränkung vor: "Mit der Klasse B und einem Pkw darf ein ungebremster Anhänger nur bis 750 Kilo gefahren werden. Und auch mit einem gebremsten Anhänger liegt das Limit für das gesamte Gespann bei 3500 Kilogramm."

Ausnahme für 100 km/h

Das Tempo ist im Gespannbetrieb grundsätzlich auf 80 Stundenkilometer begrenzt. Allerdings gibt es laut Marmitt seit einigen Jahren eine Ausnahmeregelung, die unter bestimmten Umständen auch Tempo 100 zulässt. Dann müssen Zugfahrzeug und Anhänger allerdings vorher bei einer Überwachungsorganisation wie TÜV oder Dekra vorgeführt werden, damit es den entsprechenden Aufkleber gibt.

Aber nicht alle Kombinationen, die der Gesetzgeber erlaubt, sind auch empfehlenswert. "Damit dem Gespann unterwegs nicht die Puste ausgeht, müssen Motorleistung und Drehmoment entsprechend hoch sein", sagt Dietmar Breitling, Entwickler von Bremssystemen der Mercedes Car Group in Stuttgart. "Wir empfehlen den Kunden deshalb 25 bis 30 kW (34 bis 41 PS) Motorleistung pro Tonne Gesamtgewicht des Zuges."

Größere Kurvenradien

"Dennoch ändert sich natürlich das Fahrverhalten im Gespannbetrieb", sagt KÜS-Sprecher Marmitt. "Die Kurvenradien werden größer und die Bremswege länger, wenn ein Hänger am Haken ist" ergänzt Mercedes-Fachmann Breitling. "Deshalb sind vorausschauendes Fahren und ein großer Sicherheitsabstand besonders wichtig." Und Kurven solle man künftig lieber etwas weiter nehmen, damit man an Bordsteinkanten, Begrenzungspfosten und Ampeln vorbei kommt.

Aber selbst wer noch nie mit einem Gespann unterwegs war, muss nach Einschätzung der Experten nicht verzweifeln — wenn er seine Karriere als Schlepper behutsam und überlegt beginnt. "Auch hier gilt: Übung macht den Meister", ermutigt Marmitt Gespann-Einsteiger. Allerdings sollte man als Anfänger nicht gleich in den Verkehr starten, rät der Experte. "Besser fährt man erst einmal ein paar Runden auf dem Parkplatz vor dem Baumarkt, damit man ein Gefühl für das Zusammenspiel von Zugfahrzeug und Hänger bekommt." Außerdem empfiehlt er auf jeden Fall einen Bremstest, weil sich der Anhalteweg je nach Beladung erheblich verändert.

Richtiges Beladen entscheidend

Besonderes Augenmerk verdient auch die Beladung. "Denn das richtige Beladen des Anhängers ist entscheidend für die Fahrstabilität", sagt Breitling. Ist die Ladung falsch verstaut, könne ein Anhänger leichter in Pendelschwingungen um die Hochachse kommen und damit zum Risiko für das gesamte Gespann werden. Deshalb sollte man auf einen tiefen Schwerpunkt und eine ausgeglichene Lastverteilung achten. "Schwere Einzelstücke gehören in die Mitte des Anhängers in Achsnähe auf den Boden, leichte Ladung verstaut man davor oder dahinter", sagt Breitling.

Trotz allem sind Gespanne weniger stabil als einzelne Autos und können etwa durch Spurrillen oder Seitenwind aufgeschaukelt werden. Dann helfen nach Angaben des ADAC nur spezielle Fahrmanöver, die einige Automobilclubs auch in regelmäßigen Kursen vermitteln. "Auf keinen Fall gegenlenken, sondern erst einmal den Fuß vom Gas nehmen", heißt es dazu in den einschlägigen Leitfäden. Wenn der Hänger dann noch immer schlingert, helfen nur beherzte Bremsstöße. Vollbremsungen allerdings seien ebenso Tabu wie der weit verbreitete Irrglaube, dass ein "gestrecktes Gespann" ruhiger laufe. Deshalb rät Breitling: "Bei einem instabilen Gespann niemals Gas geben."

Aufschaukeln erkennen

Auf dem Weg zurück zur Ideallinie sind Fahrer mit Anhänger allerdings nicht mehr allein auf ihr Feingefühl angewiesen. Denn seit knapp zwei Jahren gibt es in Modellen wie dem Opel Astra, dem neuen VW Passat und jetzt auch in der M-Klasse von Mercedes teilweise gegen Aufpreis eine neue Funktion für das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP). Über spezielle Sendoren könne das ESP das Aufschaukeln eines Gespanns umgehend erkennen, sagt Eberhard Meyer, der bei Opel in Rüsselsheim den Anhänger-Versuch leitet.

Wird dabei ein vordefinierter Grenzwert überschritten, werde binnen weniger Millisekunden Gas weggenommen und das Zugfahrzeug gebremst, bis das Gespann wieder stabil und sicher in der Spur läuft. Spätestens nach der dritten größeren Pendelbewegung erfolge eine starke Bremsung, die das Gespann beruhigt. "Dieser Bremsschlag war bislang das Herzstück jedes Sicherheitstrainings", sagt Meyer. "Doch jetzt macht das zum Beispiel der Astra von selbst."

(gms)
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