EU-Papier umstritten Streit um Führerschein-Tourismus spitzt sich zu

Berlin (rpo). Uneinigkeit herrscht unter Juristen über die Gültigkeit von EU-Führerscheinen, die nach Ablauf einer Sperrzeit in anderen Ländern ausgestellt worden sind. Während der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2004 entschieden hat, dass das Papier in Deutschland nicht aberkannt werden darf, haben etliche deutsche Gerichte mittlerweile im umgekehrten Sinne entschieden.

Der Verlust des Führerscheins schmerzt, egal ob wegen Trunkenheit am Steuer oder anderer Verkehrsvergehen. Schlimm für den Betroffenen wird es, wenn er die Fahrerlaubnis auch nach Ablauf der Sperrfrist nicht zurückerhält, weil die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) zur Prüfung seiner Fahrtauglichkeit negativ ausfällt. Nicht selten hat ein Durchfallen beim umstrittenen "Idiotentest" auch für die berufliche Tätigkeit erhebliche finanzielle Auswirkungen.

Manch ein "Verkehrssünder" nahm deshalb voll Freude und Hoffnung ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2004 auf. Nach dem Spruch der Luxemburger Richter darf eine in anderen EU-Ländern ausgestellte Fahrerlaubnis, die nach einer abgelaufenen Sperrzeit erworben wurde, in Deutschland nicht aberkannt werden.

In Polen oder Tschechien

Dies gab nicht nur Anlass zu einer öffentlicher Diskussion, sondern auch zu handfestem juristischem Streit. Dieser hat sich mit jüngsten Urteilen noch verschärft. Meist geht es um einen "Führerschein-Tourismus" Betroffener, die unter Umgehung der MPU beispielweise in Polen oder Tschechien eine EU-Fahrerlaubnis erworben haben.

Eine erste Ernüchterung für Sünder, die darin einen Ausweg aus ihrer Misere sahen, brachten zwei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Neustadt (Az.: 3 L 253/05.NW, Az.: 4 L 389/05). Es befand darin, dass nach einem Entzug der Fahrerlaubnis auch nicht mit einem EU-Führerschein auf deutschen Straßen gefahren werden darf. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster legte zu Monatsbeginn nach. Ein Erwerb im EU-Ausland sei kein Ausweg nach einem Entzug der deutschen Fahrerlaubnis, machte es klar (Az.: 16 B 736/05).

Die OVG-Richter lehnten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und damit die weitere Gültigkeit des Führerscheins eines Fahrers ab, der gegen den Entzug seiner Fahrerlaubnis aus Tschechien Beschwerde eingelegt hatte. Nach Angaben des Gerichts hatte der 22-Jährige diese im November 2004 erworben. Die deutschen Papiere waren ihm entzogen worden, da er im Juni 2003 nach Drogenkonsum beim Autofahren ertappt worden war. Einen neuen Führerschein konnte er hierzulande nicht beantragen, weil er beim "Idiotentest" durchgefallen war. Als er den EU-Führerschein im Januar bei einer Polizeikontrolle vorzeigte, wurde ihm auch diese Fahrerlaubnis entzogen.

Missbrauch vermeiden

Ähnlich entschied das Verwaltungsgericht Berlin. Erwirbt ein Deutscher in Polen einen Führerschein, so ist dieser in Deutschland nicht automatisch anerkennungsfähig. Vielmehr dürfen die Behörden dies von einer innerstaatlichen Prüfung der Kraftfahrereignung etwa durch eine MPU abhängig machen, erklärten die Berliner Richter (Az.: 11 A 690/05). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus EU-Recht, betonten sie. Im Interesse der Verkehrssicherheit müsse ein Missbrauch der Anerkennungsregeln vermieden werden.

In diesem Fall war dem Kläger schon 1994 nach einem Unfall unter Alkoholeinfluss vom Amtsgericht die Fahrerlaubnis entzogen worden. Er scheiterte 1995, 1996 und 1998 beim Versuch, eine neue Fahrerlaubnis zu erlangen, an der MPU. Ein Gutachten schloss erneute Trunkenheitsdelikte nicht aus. Einen vierten Führerschein-Antrag zog er 2004 nach Anforderung eines erneuten Gutachtens zurück. Bei einem Unfall im Dezember 2004 legte er der Polizei einen polnischen Führerschein vor. Dieser wurde ihm entzogen, weil er eine weitere MPU verweigert hatte. Nach Auffassung des Berliner Richter ist der auf Deutschland beschränkte Entzug rechtmäßig, weil der Antragsteller zum Führen von Kfz ungeeignet sei.

Betroffene sollten daher überlegen, ob sich der ebenfalls recht kostenträchtige Erwerb einer Fahrerlaubnis im Ausland auszahlt. Denn es könnte ein böses Erwachen geben - sei es bei einer Polizeikontrolle, wenn die Beamten in der Führerscheinstelle nachfragen, oder wenn der EU-Schein dort auf die Heimat-Adresse umgemeldet werden soll.

(afp)
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