Porträt Blink-182 Die letzte Punkband der Welt

Zu albern, zu flach, zu eingängig - die Pop-Punker von Blink-182 sind nie eine Band gewesen, zu der sich Musikkritiker offensiv bekannt haben. Sebastian Dalkowski schreibt anlässlich des neuen Albums "California" einen überfälligen Fanbrief.

 Eine Punkband beim Militär - Tom DeLonge, Mark Hoppus und Travis Barker (von links) 2003 an Bord des amerikanischen U-Boots USS Memphis in Bahrain. DeLonge gehört nicht mehr zur Besetzung von Blink-182.

Eine Punkband beim Militär - Tom DeLonge, Mark Hoppus und Travis Barker (von links) 2003 an Bord des amerikanischen U-Boots USS Memphis in Bahrain. DeLonge gehört nicht mehr zur Besetzung von Blink-182.

Foto: Denny Lester / Public Domain

Wer das hohe Alter von 33 Jahren erreicht hat, tut zwei Dinge nicht mehr. Erstens: Fanbriefe schreiben. Zweitens: Fanbriefe an Blink-182 schreiben. Doch als ich erfuhr, dass Ihr nach fünf Jahren ein neues Album mit dem Titel "California" veröffentlicht, merkte ich: Ihr seid mir immer noch wichtig. Sehr. Ich halte mich für einen Anhänger abwegiger Kritikermusik. Wenn jemand nach meiner Lieblingsband fragt, würde ich immer Radiohead sagen. Doch wenn ich vergleiche, welche Platten ich häufiger gehört habe, dann waren es Eure.

Lasst es mich erklären.

Nach meinen Erinnerungen tauchtet Ihr 1999 in meinem Leben auf. Ich war damals 16. Ein Mitschüler hatte ein halbes Jahr in den USA gelebt und die aktuelle Platte einer Band mitgebracht, die mir völlig unbekannt war. Er erzählte, dass Ihr mit "Enema Of The State" in den USA schon eine große Nummer wart und brannte mir einen Rohling, als Rohlinge noch ein Vermögen kosteten. Er ist bis heute in meinem Besitz.

Es war kein Erweckungserlebnis, als ich Eure Musik das erste Mal hörte. Ich fing nicht an, meine Zimmerwände mit Postern von Euch zu tapezieren, aber ich hörte diese Platte einfach wahnsinnig gerne zu jeder Gelegenheit. Gitarren und euphorische Melodien - wer konnte etwas dagegen haben? Schon damals hörte ich nicht nur die Sonne Eurer kalifornischen Heimat in den Songs, sondern auch eine Melancholie, eine Sehnsucht, die erst 2003 in Eurem Album "Blink-182" überdeutlich wurde, als Ihr anfingt, mit Anspruch zu experimentieren.

Ihr habt Euch nie an eine Szene gerichtet. Niemand musste cool sein, um Euch zu hören. Zur Abgrenzung wart Ihr nie geeignet. Aber ich hatte das Gefühl, dass Ihr mit Euren Songs jeden Hörer einzeln angesprochen habt, Leute wie mich, die in ihrem Dorf nicht so wahnsinnig viel erlebten, das aber nicht so schlimm fanden, dass sie mit dem gleichzeitig grassierenden Nu-Metal ihre Existenz bedauerten. Dass Ihr dem Punk die letzte Rebellion genommen habt, die Green Day ihm 1994 mit "Dookie" noch gelassen hatte, und groß "Pop" drüber klebtet, war der Grund, warum Eure Musik für Leute wie mich überhaupt in Frage kam. Für wirklichen Punk war ich nie lange genug wütend.

Schnell merkte ich, dass Ihr keine Band seid, zu der man sich freimütig bekennt, auch weil Ihr nie vor dem zurückgeschreckt seid, was der Ami "Toilet Humor" nennt. Weil ich unbedingt mit einem ernsthaften Musikkritiker verwechselt werden wollte, bekannte ich mich auch nicht und schrieb lieber über isländische Geheimtipps. Mit Euren späteren Platten habt Ihr bei den Kritikern Boden gut gemacht, habt gezeigt, dass Ihr hervorragende Musiker seid, deren Songs immer ein bisschen besser waren als die Eurer Punk-Kollegen, aber Euren Ruf seid Ihr nie ganz losgeworden. Im klassischen Sinne relevant seid Ihr nie gewesen, also einflussreich. Okay, schon, Ihr wart mal eine der größten Bands der Gegenwart, aber Ihr habt keine guten Bands zu verantworten, sondern Sum 41 und Good Charlotte. Einst sagte der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, dass es rechts von seiner Partei, der CSU, keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfte. Rechts von Euch, im Sinne von noch mehr Richtung Pop, hätte es keine Punkband geben dürfen. Ich möchte sagen: Ihr seid die Band, die die Entwicklung des Punk abgeschlossen hat - die letzte Punkband der Welt.

Während andere Bands meiner Jugend verschwanden, seid Ihr geblieben. Dass Ihr zwischen 2003 und 2011 keine Platte veröffentlicht habt, weil jeder von Euch mit anderen Dingen klarkommen musste, fiel mir nicht auf. Gefreut habe ich mich über die Rückkehr aber. Kein einziger Eurer Songs seit "Enema Of The State" ist mir überdrüssig geworden.

Ich freue mich auch jetzt, dass nach fünf Jahren Euer siebtes Album "California" erscheint, obwohl mir klar ist, dass die großen Zeiten vorbei sind. Ihr seid über 40. Euer Produzent Jerry Finn ist bereits 2008 verstorben. Euer Gitarrist Tom DeLonge hat zum zweiten Mal die Band verlassen und ist durch Matt Skiba von Alkaline Trio ersetzt worden. Aber bitte macht weiter, solange es Euch Spaß macht und Ihr Songs schreibt, die ganze Tage retten können.

Ich denke, ich werde mal meinen Freunden von Euch erzählen.

(RP)
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