Abmahnwelle wegen Streaming Hintermänner im Fall RedTube tauchen ab

Düsseldorf · Neue Wendung im Fall RedTube: Der Rechteinhaber "The Archive" hat seinen Firmensitz gewechselt und zudem einen neuen Chef. Offenbar versuchen die Hintermänner unterzutauchen.

Richtig mit Abmahnungen umgehen
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Foto: dpa, Boris Roessler

Vor wenigen Tagen noch holte die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen zum Gegenschlag aus: Wenn dies ihr Mandat verlange, werde sie weitere Abmahnungen verschicken. Doch nun scheinen ausgerechnet die verantwortlichen Hintermänner der Schweizer "The Archive AG" kalte Füße zu bekommen und fürchten juristische Konsequenzen.

Im Schweizer Handelsregister taucht nicht mehr Bassersdorf als Sitz des Unternehmens auf. Seit dem 15. Januar wird er mit Weisslingen angegeben, einem 3000-Einwohner-Dorf im Zürcher Oberland. Die Website von "The Archive" ist offline.

Wechsel an der Unternehmensspitze

Und auch an der Unternehmensspitze hat es einen Wechsel gegeben: Der Deutsche Philipp Wiik hat sein Amt als Direktor aufgegeben und Platz gemacht für den Afrikaner Djengue Nounagnon Sedjro Crespin, einem beninischen Staatsangehörigen.

"The Archive" tritt als Inhaberin von Pornofilmen auf, die U + C beauftragt hatte, im Dezember an Zehntausende Internetnutzer Abmahnungen und Unterlassungserklärungen zu verschicken. Der Vorwurf: Die User sollen auf der Porno-Streamingseite RedTube urheberrechtlich geschützte Videos von "The Archive" angeschaut haben.

Die Veränderungen im Unternehmen könnten Schweizer Medienberichten zufolge damit zusammenhängen, dass es gegen Schweizer Recht verstieß, die IP-Adressen der User weiterzugeben, sodass diese abgemahnt werden konnten.

"Geschickt gemacht"

Rechtsanwalt Timm Leisenberg von der Münchner Wirtschaftskanzlei LoschelderLeisenberg Rechtsanwälte sieht ein geschicktes Vorgehen der Verantwortlichen, auch bei den Regenburger Anwaltskollegen. Nicht ohne Grund hätten U+C für eine Schweizer Firma und nicht für eine deutsche abgemahnt.

"So wird es für diejenigen, die bereits gezahlt haben, wesentlich umständlicher, das gezahlte Geld im Klagewege zurückzufordern", erklärt Fachanwalt Leisenberg auf Anfrage. "Und selbst wenn man ein obsiegendes Urteil erlangt, wird die Vollstreckung sehr schwierig."

U+C hatten in ihrer Abmahnung ein deutsches Konto angegeben, dessen Inhaber "The Archive" ist. Leisenberg: "Eine Kontopfändung dürfte da aber zwecklos sein, da ich davon ausgehe, dass das Konto längst abgeräumt bzw. sogar aufgelöst sein dürfte. Für eine Vollstreckung müsste man dann also Schweizer Vollstreckungsorgane beauftragen."

Dadurch, dass das Geld direkt auf das Konto des Mandanten gelangt sei, könne man Leisenberg zufolge auch U + C nicht als "Drittschuldner in Anspruch nehmen und dort Fremdgelder pfänden. Geschickt gemacht".

Ministerium: Streaming zulässig

Der Hintergrund der Debatte: Im Dezember hatten tausende Deutsche Abmahnungen erhalten, weil sie Videos auf der Seite gestreamt hatten. Dieser Rechtsauffassung hatte das Justizministerium vergangene Woche widersprochen.

Die Bundesregierung hielt das Anschauen von Videostreams aus dem Internet für zulässig. "Das reine Betrachten" eines Videostreams ohne Herunterladen sei "urheberrechtlich unbedenklich", stand in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion.

In seiner Begründung stützt es sich auf die Paragrafen 44a und 53 des Urheberrechtsgesetzes. "Letztlich kann diese Frage nur vom Europäischen Gerichtshof entschieden werden", heißt es in der Antwort des Justizministeriums weiter.

Im Gegensatz zum Download werden beim Streaming die abgerufenen Daten nicht dauerhaft gespeichert und können so vom Nutzer auch nicht illegal weitergegeben werden. Es ist daher rechtlich nach wie vor unklar, ob durch das Streamen tatsächlich Urheberrechte verletzt werden.

Ende Dezember hatte das Landgericht Hamburg Medienberichten zufolge die Abmahnungen gegen Nutzer des Porno-Portals RedTube gestoppt. Das Schweizer Unternehmen "The Archive AG", das hinter der Abmahnwelle steckt, dürfe keine weiteren Schreiben verschicken. Das Gericht gab damit einem Antrag auf eine Einstweilige Verfügung von RedTube gegen die Schweizer Firma statt.

Das Gericht hatte erklärt, die Nutzer könnten nur dann abgemahnt werden, wenn wenn für sie klar ersichtlich gewesen sei, dass es sich bei dem Film um eine Raubkopie handelte. Das sei bei den RedTube-Filmen nicht der Fall gewesen.

(nbe)
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