50.000 Neueintritte verzeichnete die Gewerkschaft seit Anfang des Jahres, sagte Verdi-Sprecher Harald Reutter unserer Redaktion. Das sei deutlich mehr als normalerweise in drei Monaten. "Die Beschäftigten haben jahrelang Reallohnverluste hingenommen und jetzt reicht's", so Reutter. Während viele in den vergangenen Jahren harte Einschnitte hinnehmen mussten, seien die Managergehälter dagegen weiter gestiegen.

Dieses "ausgeprägte Gefühl von Ungerechtigkeit" bringe die Menschen zu den Gewerkschaften — auch die Jungen. Rund ein Drittel der neuen Verdi-Mitglieder sind unter 28 Jahren. Insgesamt liegt ihr Anteil bei den 2,2 Millionen Gewerkschaftern bei nur 10 Prozent. Reutter spricht von einem "Verjüngungsprozess".

Tatsächlich schwimmt Verdi auf einer Welle des Erfolgs. Nachdem die monatelangen Streiks im Einzelhandel in der Öffentlichkeit fast unbemerkt blieben, hat sich die Gewerkschaft mit dem Tarifabschluss vom Montag zurückgemeldet. Auch die Gehaltserhöhungen für Versicherungsmitarbeiter und die Beschäftigten der T-Punkte der Deutschen Telekom gehen auf das Konto von Verdi.

Der Erfolg gibt den Gewerkschaftern Rückenwind bei den noch laufenden Tarifverhandlungen. Am Mittwoch wurden die Warnstreiks bei der Deutschen Post fortgesetzt. In Bayern sind etwa 2000 Postzusteller in den Ausstand getreten, hieß es. Auch der Streit im Einzelhandel ist noch lange nicht ausgefochten. Neue Streiks sind wahrscheinlich. Vor Tagen hatte Verdi-Chef Frank Bsirske noch verkündet, die Streikkassen seien prall gefüllt. Ein dreistelliger Millionenbetrag sei in Fonds und Immobilien angelegt, hieß es. Verdi hat die Macht der Gewerkschaften wieder neu entdeckt.