Interview mit Herbert Rische Renten-Chef sorgt sich um Altersarmut

Düsseldorf (RP). Die Beitragssätze zur Rentenversicherung bleiben bis 2013 stabil. Sie können aber auch nicht steigen, wie noch im Herbst 2008 vorhergesagt. Ein Interview mit dem Chef der Deutschen Rentenversicherung Herbert Rische über Beitragssätze, Altersarmut und die Rendite der gesetzlichen Rente.

 Herbert Rische spricht im Interview über Rente in der Zukunft.

Herbert Rische spricht im Interview über Rente in der Zukunft.

Foto: ddp, ddp

Spürt die Rentenversicherung die Wirtschaftskrise?

Rische: Bei der Rentenversicherung ist die Krise hinsichtlich der Beitragseingänge noch nicht angekommen. Wir haben in den ersten sieben Monaten dieses Jahres ein Einnahmeplus von 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für den Monat Juli sind es noch 0,2 Prozent. Überraschend ist, dass wir weiterhin eine stabile Zahl an Anträgen auf Rehabilitationsleistungen haben. Die gehen in Krisenzeiten normalerweise zurück.

Sie sagten "noch nicht". Sie rechnen also noch mit Einbrüchen?

Rische: Das hängt davon ab, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Wenn die Beschäftigten, die jetzt in Kurzarbeit sind, in die Arbeitslosigkeit gehen, wird sich das bemerkbar machen. Wenn die Arbeitsmärkte wieder anziehen, wird die Krise an der Rentenversicherung vorbeigehen. Ein spürbares Problem bekommen wir erst dann, wenn wir eine deutliche Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit haben.

Müssen die Arbeitnehmer wegen der Krise mit höheren Beiträge rechnen?

Rische: Nach unseren jetzigen Zahlen gehen wir davon aus, dass die Beiträge bis 2013 stabil bleiben. Für unsere Berechnungen haben wir für das kommende Jahr eine durchschnittliche Arbeitslosenzahl von 4,6 Millionen unterstellt. Das ist schon eine Annahme, die nicht besonders optimistisch ist. Langfristig sollen die Beiträge zur Rentenversicherung bis 2020 nicht über 20 Prozent und bis 2030 nicht über 22 Prozent steigen. Dieser Korridor ist nach jetziger Kenntnis einhaltbar.

Ist denn für 2012 wie noch im Herbst 2008 vorhergesagt mit einem Rückgang des Beitragssatzes zu rechnen?

Rische: Nein.

Ist das Gesetz zum Rentenkürzungsverbot in diese Rechnung schon eingepreist?

Rische: Ja. Ich rechne nicht damit, dass wir die Situation bekommen, in der wir das Gesetz anwenden müssten. Die Löhne müssten deutlich sinken, bevor die Schutzklausel greifen müsste. Mit einer solchen Situation rechne ich in den nächsten Jahren nicht.

Viele Ökonomen bemängeln, dass bei der gesetzlichen Rentenversicherung die Rendite nicht stimmt.

Rische: Die aktuelle Krise macht doch deutlich, dass es nichts sichereres gibt als die Rentenversicherung. Die andere Seite der Medaille ist, dass sichere Anlagen weniger Rendite bringen als spekulative Anlagen. Dort können Sie aber auch viel verlieren. Die Rentenversicherung ist ein stabiles, auf Dauer angelegtes System und das ist den Menschen wichtig. Und so schlecht ist die Rendite der gesetzlichen Rente überhaupt nicht. Zurzeit liegt sie für Frauen und verheiratete Männer, die heute in Rente gehen, bei 4,1 Prozent. Für ledige Männer liegt sie bei 3,5 Prozent. Im Jahr 2030 wird sie für Frauen und verheiratete Männer bei 3,3 Prozent, für ledige Männer bei 2,7 Prozent liegen.

Was muss ein Arbeitnehmer heute verdienen, damit er im Alter über dem Sozialhilfesatz liegt?

Rische: Um über dem Niveau der Grundsicherung zu liegen muss er rund 25 Jahre Beiträge von einem Durchschnittsverdienst von rund 31.000 Euro jährlich zahlen. Aber lassen Sie sich einmal von einer Privatversicherung ausrechnen, was sie zahlen müssten, um im Ruhestand monatlich rund 650 Euro, eine Absicherung im Invaliden- und Hinterbliebenenfall, den Arbeitgeber-Anteil zur Krankenkasse sowie eine Dynamisierung zu erhalten.

Raten Sie jedem Bürger, zusätzlich privat vorzusorgen?

Rische: Ja. Seinen Lebensstandard kann man nur erhalten, wenn man das starke Bein der gesetzlichen Rentenversicherung hat und sich zusätzlich mit privater und oder betrieblicher Altersvorsorge absichert.

Was ist mit denen, die das nicht können, denen Altersarmut droht?

Rische: Um diese Gruppen muss man sich besonders kümmern. Das sind Geringverdiener, Langzeitarbeitslose, Erwerbsgeminderte und Selbstständige, die nicht anderweitig abgesichert sind.

Was muss sich ändern?

Rische: Wer im Niedriglohnsektor arbeitet, kann häufig nicht zusätzlich privat fürs Alter vorsorgen. Wenn über die Höhe eines Mindestlohns diskutiert wird, muss daran gedacht werden, dass auch für Altersrücklage etwas übrig bleibt. Die Langzeitarbeitslosen erwerben pro Jahr einen Rentenanspruch von 2,17 Euro. Wenn für sie höhere Beiträge gezahlt würden, wäre die Gefahr, dass sie im Alter in die Grundsicherung fallen, geringer.

Sind angesichts des demographischen Wandels weitere Reformen notwendig?

Rische: Da haben wir schon viele Hausaufgaben erledigt. Bei der Rentenversicherung wird ja immer die Kopf-Rechnung angestellt: Wie viele Arbeitnehmer wie viele Rentner unterstützen. 2005 kamen auf 221 Erwerbstätige 100 Menschen über 60 Jahre. Wenn man dies bis 2030 einfach fortschreiben würde, hätte man das Zahlenverhältnis von 133 Erwerbstätigen auf 100 Rentner. Das wäre dramatisch. Wenn die Menschen im Jahr 2030 aber mit 67 in Rente gehen - zu einem früheren Zeitpunkt kann man mit Abschlägen eine Rente erhalten dann unterstützen 239 Erwerbstätige 100 Rentner. Die wichtigste Frage für die Zukunft der Rente ist aber eine positive Entwicklung der Wirtschaft.

(RP)
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