Film-KritikDas Urteil: Ein Maulwurf in der Jury
Das amerikanische Recht auf Waffenbesitz ist in den USA ein heikles Thema und Teil der Handlung von dem Film "Das Urteil", der am 29. April in den Kinos anläuft. Die Witwe eines Börsenmaklers klagt den Waffenhersteller an, da dieser den Amokläufer mit Waffen versorgt hatte. Trotz der Brisanz der Thematik steht hier das Fallen des Rechtssystems an sich im Mittelpunkt.Die Justizfilme scheinen so zahlreich, dass sie seit Jahrzehnten ein eigenes Genre befeuern, in dem unermüdlich über die krummen Wege zur Gerechtigkeit fabuliert wird. So auch in diesem jüngsten Gerichtsdrama, das im pittoresken New Orleans spielt und in dessen Bestseller-Vorlage von John Grisham statt eines Waffen- noch ein Tabakkonzern die Zielscheibe war. Rund um die eigentliche Verhandlung wuchert eine labyrinthische Intrige, in deren Gängen sich die Akteure manches Mal verlaufen. Das Tauziehen zwischen Gut und Böse beginnt bereits im Vorfeld des Mammutprozesses, in dem sich Staatsanwalt und Verteidiger auf ein Dutzend Geschworene einigen müssen. Dabei fährt die Waffenlobby mit dem "Jury-Consultant" Rankin Fitch, dem kleinen Mann im Ohr des Verteidigers, einen bislang unbesiegten Goliath auf: Der mit allen Wassern gewaschene Spezialist verfügt über eine geheime High-Tech-Zentrale, gegen die sich die Stasi wie ein Kindergarten ausnimmt. Alle potenziellen Geschworenen werden von einem Stab alerter Mitarbeiter bis zum letzten unbezahlten Strafzettel auf mögliche Angriffsflächen ausspioniert. Ihm gegenüber steht der altmodisch biedere Anwalt Wendell Rohr, der inmitten aller Versuchungen auf Fairness pocht. Trotz Fitchs Vorsicht schlüpft mit Nick Easter noch ein dritter Mitspieler durchs Überwachungsnetz. Der scheinbar dümmliche Loser Nick wird bei der Anhörung trotz - oder wegen - seiner Renitenz in die Zwölfer-Jury gewählt. Bingo: Daraufhin bietet eine geheimnisvolle junge Frau Fitch und Rohr an, die Jury für 10 Millionen Dollar zu "kaufen", denn unter den Geschworenen wühlt nun ein "Maulwurf", der die restlichen elf "umdrehen" kann. Wenn ihm nicht Fitch zuvorkommt, der die zwölf mit indirekter Erpressung und Bestechung bearbeitet. Konfrontation zweier VeteranenBis in die kleinsten Nebenrollen hinein hervorragend besetzt, glänzt der Film vor allem mit seiner Starpower. Mit Gene Hackman als amoralischem Zyniker und Dustin Hoffman als redlichem kleinen Gutmenschen konfrontieren sich zwei Veteranen, die in einem unterkühlten Rededuell die Messer wetzen; nicht minder bemerkenswert ist der chamäleonhafte John Cusack. Vor allem die quasi soziologischen Nahaufnahmen der Geschworenen, die vom freundlichen Unschuldslamm Easter nach allen Regeln der Kunst manipuliert werden, sind zeitweise so fesselnd, dass man als 13. Geschworener in den Hinterzimmer-Kaffeerunden dabei zu sitzen glaubt. Dabei verdeckt die psychologische Dichte dieser Szenen manche grobe Ungereimtheit dieses verwinkelten Katz- und Maus-Spieles: Nie macht sich das Drehbuch etwa die Mühe zu erklären, wie Easter es überhaupt schaffte, als potenzieller Geschworener aufgestellt zu werden. Regisseur Gary Fleder bewies bereits mit "Das Leben nach dem Tod in Denver" und "Sag kein Wort" sein Talent für atmosphärische Thriller. Doch letztlich demonstriert seine elegant inszenierte, kaltschnäuzige Versuchsanordnung, dass im Rechts-Business nur die ganz Schlauen die ganz Reichen besiegen können. Und bestätigt dabei die Auffassung des Zynikers Fitch, dass das Recht ansonsten eine Ware und das Rechtssystem eine Farce ist - diese "Message" verdirbt dem Zuschauer, obgleich am Ende des Gezackers die Richtigen jubeln, dann doch ein wenig den Spaß.