Perfekte Handball-Saison 20.000 Fans feiern Kieler "Überflieger"

Kiel · Der Mannschaftsrat um Kapitän Marcus Ahlm und Superstar Filip Jicha hatte mal wieder Kreativität bewiesen. In olivgrünen Fliegeranzügen a la "Top Gun" enterten die Handball-Helden des THW am späten Samstagabend den Kieler Rathausbalkon und feierten mit über 15.000 Fans ihre perfekte Saison. Als erste Profi-Mannschaft im deutschen Sport haben die Zebras eine Spielzeit ohne Minuspunkt beendet und zum zweiten Mal nach 2007 das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League geholt.

Handball-Bundesliga 11/12: Kiel feiert seine Überflieger
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Handball-Bundesliga 11/12: Kiel feiert seine Überflieger

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34 Siege aus 34 Spielen - mit dem 39:29 am letzten Bundesliga-Spieltag gegen den VfL Gummersbach hatte der THW Kiel seine überragende Saison mit einem Rekord für die Ewigkeit gekrönt. "Ich kann es noch gar nicht fassen. Das ist einmalig und wohl nicht mehr zu wiederholen", sagte Jicha. Überwältigt vom rauschenden Fest in der Kieler Innenstadt und der fabelhaften Bestmarke von 68:0 Punkten erteilte der Rückraumspieler seinem Team den Ritterschlag:
"Diese Mannschaft ist die beste Handball-Mannschaft, die es je gab."

Der Chef der Kieler Überflieger nahm die Worte seines Musterschülers schon gar nicht mehr wahr. Der sonst eher als Partymuffel bekannte Alfred Gislason mutierte regelrecht zum Feierbiest. Nachdem der isländische Trainer schon beim 90-minütigen Autokorso durch die Stadt kaum zu halten gewesen war, legte er auf dem Rathausbalkon noch einen drauf. "Ich bin unendlich stolz auf diese Mannschaft. Die Null ist ein Riesenbonus für die Karriere jedes einzelnen Spielers", sagte Gislason, der von den Managern und Geschäftsführern der Bundesligisten zum Trainer des Jahres gewählt wurde.

Drei Meter von ihm entfernt stand Kiels langjähriger Bürgermeister Torsten Albig - freudetrunken vom schwarz-weißen Siegestaumel in der Kieler Innenstadt. "Die Jungs sind keine Legionäre. Sie nehmen die Stadt in den Arm", sagte Albig. Besser hätte er die Szenerie kaum beschreiben können. Stundenlang feierten die THW-Spieler mit ihren Fans und genossen das Bad in der Menge, ehe die Party bei einem Nobel-Italiener im kleinen Kreis fortgeführt wurde. Den vorläufigen Schlusspunkt der Feierlichkeiten markierte der Meisterbrunch am Sonntagmittag.

In der Stunde des großen Triumphes freute sich der perfektionistische Tüftler Gislason aber vor allem auf das Ausspannen in seinem ehemaligen Kutscherhaus in Wendleben in der Nähe von Magdeburg. "Ich freue mich auf mein Urlaubs-Paradies in Sachsen-Anhalt - ohne Handball, ohne Handy", sagte Gislason: "Und selbst, wenn die Geschäftsstelle abbrennen sollte, will ich davon nichts wissen."

Das Erfolgsgeheimnis des THW in diesem Jahr lag auch im Misserfolg des Vorjahres. Nachdem die Zebras in der vergangenen Serie vom HSV Hamburg gedemütigt worden waren, arbeitete Gislason wie ein Besessener an der Rückkehr auf den deutschen Handball-Thron.

Mühelos pulverisierte der THW den Startrekord des TBV Lemgo (36:0) und knackte mit 68:0 Punkten nun auch die bisherige Bundesliga-Bestmarke von 65:3 Zählern, die der Rekordmeister erst vor drei Jahren aufgestellt und seitdem gemeinsam mit Lemgo gehalten hatten. Drei Mal gewannen die Fördestädter "nur" mit drei Toren Differenz, ansonsten spielte Kiel die Konkurrenz in Grund und Boden. Neun Tore waren es im Schnitt, die der THW den Gegnern in den 34 Duellen der Bundesliga-Saison voraus war.

"Die Meisterschaft des THW ist ein neuer Superlativ. Diese Mannschaft ist der leistungsmäßig beste Meister meiner gesamten Amtszeit", sagte Ulrich Strombach im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID). Angst vor drohender Langeweile in der kommenden Saison hat der Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) nicht: "Die jetzige Situation ist nur eine Momentaufnahme. Ich bin mir sicher, dass die Liga wieder ausgeglichener wird. Die Mannschaft des THW wird älter und hat auch einige Abgänge zu verkraften."

Prominentester Abgang der Kieler ist Kim Andersson. Der schwedische Linkshänder, der von den 18 Trainern der Bundesliga zum besten Spieler der Saison gewählt wurde, wechselt im Sommer nach Kopenhagen. Zudem verlässt Abwehrchef Daniel Kubes den Verein. "Es wird schwierig, die unglaublichen Erfolge dieser Saison mit der neuen Mannschaft zu wiederholen", sagte Gislason und fügte mit einem schelmischen Grinsen an: "Aber das wird eine sehr reizvolle Aufgabe für mich." An Kreativität mangelt es den Kielern gewiss nicht.

(sid)
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