Schalkes früheres 49-Millionen-Euro-Talent Heart gelandet - Avdijajs Absturz auf die Resterampe

Düsseldorf · Er war das heißeste Eisen in der Schalker Knappenschmiede. Heute ist Donis Avdijaj noch immer jung genug, um ein Talent zu sein, doch seine Karriere liest sich wie die eines Gescheiterten.

 Donis Avdijaj (r.) mit Trainer Daniel Stendel.

Donis Avdijaj (r.) mit Trainer Daniel Stendel.

Foto: Heart of Midlothian/Twitter/JamTarts

Schnelle Autos, vielbeachtete Interviews, Torrekorde, Skandale, Millionen-Klauseln, eigene Fanlieder - wenn man beim Blick auf seine Laufbahn ein Auge zukneift, ist Donis Avdijaj ein Superstar. Doch schon sein neuer Arbeitgeber entlarvt ihn als Scheinriesen. Mit 23 Jahren ist Avdijaj zu Heart of Midlothian gewechselt, dem Schlusslicht der ersten schottischen Liga – sportliche Diaspora. Daniel Stendel hat dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Der frühere Trainer von Hannover 96 konnte mehr mit dem Namen Avdijaj anfangen als die meisten anderen in Schottland. In Deutschland hallt noch immer das Versprechen eines künftigen Topspielers nach, das Avdijaj bis heute schuldig blieb.

108 Tore und 43 Assists stehen in insgesamt 201 Spielen seiner noch immer jungen Karriere zu Buche. Doch wieder verschwindet der wesentliche Teil bei dieser Betrachtung im toten Winkel. Ganz wesentlich speist sich die famose Torquote aus Avdijajs B- und A-Jugend-Zeit beim FC Schalke 04. 59 Mal traf er in 51 U17-Spielen, für die königsblaue U19 war er in 18 Spielen 17 Mal erfolgreich. Manager Horst Heldt etikettierte ihn sofort als „unverkäuflich“ - in Form einer damals nur theoretisch gemeinten Ablösesumme von 49 Millionen Euro. Es liegt nahe, hier die Bruchstelle in Avdijajs Karriere zu identifizieren. Wer ihn hört und sieht, erlebt aber keinen ausgewiesenen Grübler, der unter dieser Last zu ächzen scheint.

Ein Interview mit der „Kleinen Zeitung“ verhalf dem Kosovaren 2015 auch außerhalb des Sports zu kurzfristiger Prominenz. Darin fabulierte er über ein von Pferden umringtes Geldschwimmbad, das er sich leisten würde, falls ihm spontan 15 Millionen Euro in den Schoß fielen. Damals spielte er allerdings bereits bei Sturm Graz, die nicht mal einen Bruchteil dieser Summe in eine Ablöse investiert hatten. Beim FC Schalke 04 hatten dem Riesentalent auf dem Weg zu den Profis bereits mehrere Skandale im Weg gestanden. Er ramponierte mit seinem 500-PS-Mercedes einen Lamborghini, beleidigte Polizisten, wurde zu Geldstrafe und Sozialstunden verurteilt. „Und die schlimmsten Sachen kennt die Welt ja gar nicht“, erzählte Avdijaj einmal vielsagend dem Spiegel.

Doch wieder relativiert sich vieles bei genauerer Betrachtung: Avdijaj soll bei dem Unfall ganze 36 Stundenkilometer schnell gefahren sein, von dem Vorwurf der Beamtenbeleidigung blieb letztlich übrig, dass er die Polizisten unzulässigerweise geduzt und als „Schlaumeier“ tituliert habe. Und wer Avdijaj so hört, stellt schnell fest, dass er das Drehbuch für herkömmliche Fußballer-Interviews zwar geflissentlich ignoriert, dabei aber über eine durchaus gewinnende Art verfügt. Das Bild des rüpelhaften Fußball-Schnösels will auf ihn nicht ganz passen.

Beinahe fällt es schwer zu glauben, dass dieser Avdijaj auch sportlich immer wieder aneckte. Nach wenig fruchtbaren Leihen zu Sturm Graz und Roda Kerkrade ließ Schalke den einstigen 49-Millionen-Euro-Mann schließlich ablösefrei zu Willem II in die niederländische Eredivisie ziehen. Seine Leistungen stabilisierten sich - auf mäßigem Niveau. Die Treffsicherheit vergangener Tage ist ihm abhanden gekommen. Konstant begleiteten ihn dafür die alten Vorwürfe: zu viel Eigensinn, zu wenig Teamplay und immer wieder Ausfälle. Im Winter 2018 wurde er zunächst als einer von vier Spielern suspendiert, im vergangenen März löste sein Klub dann der Vertrag auf. Im Sommer verpflichtete Trabzonspor den Linksaußen, hatte aber gerade mal 238 Minuten lang Verwendung für ihn.

Seinen Wechsel zum Letzten der schottischen Premiership, die international meist nur erwähnt wird, um vor „schottischen Verhältnissen“ mit den Abomeistern aus Glasgow zu warnen, versteht Avdijaj offenbar nicht als Scheitern. „Ich war zwei Tage hier und es fühlte sich schon so an, als würde die ganze Stadt mich kennen, dabei hatte ich noch nicht unterschrieben“, sagt der Zugang mit unverbrüchlichem Selbstbewusstsein. Ein gutes Verhältnis zu den Fans spiele für ihn ohnehin eine übergeordnete Rolle. „Bei meinen Klubs in Österreich, Deutschland und den Niederlanden hatte ich meine eigenen Songs bei den Fans. Ich liebe die Fans und ich liebe Emotionen im Spiel“, erklärt Avdijaj in flüssigem Englisch.

Wer etwas weniger unbedarft auf seine Karriere schaut, wird nüchtern feststellen, dass der bereits sechste Klub seiner jungen Profilaufbahn schon wieder eine Jetzt-oder-nie-Station ist. Die Figur des Donis Avdijaj benötigt ein fußballerisches Fundament, ansonsten drohen lange Jahre als entzauberter Scheinriese auf der internationalen Resterampe. Um eine Figur wie ihn wäre es dabei eigentlich schade - nicht nur wegen seiner Interviews.

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