Braunschweig Sportdirektor Arnold "Wir sind Abstiegskandidat Nummer eins"

Sportdirektor Marc Arnold und Trainer Torsten Lieberknecht haben Eintracht Braunschweig nach 28 Jahren Abstinenz zurück in die Fußball-Bundesliga geführt. Im Interview spricht Arnold über seine Anfänge an der Hamburger Straße, über sein Verhältnis zu Lieberknecht und darüber, was er von seinem Team in der kommenden Saison erwartet.

Bundesliga 13/14: Trainingsauftakt bei Eintracht Braunschweig
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Herr Arnold, als Sie vor fünf Jahren als Sportdirektor in Braunschweig anfingen, stand der Klub vor dem Ruin und schaffte erst in letzter Sekunde die Qualifikation für die 3. Liga. Sogar die Telefonanbieter sollen verglichen worden sein, um die drohende Insolvenz abzuwenden.

Marc Arnold Es ist tatsächlich so gewesen, dass wir damals sehr viele Dinge hinterfragt haben - selbst den Postanbieter. Es ging einfach nicht anders. Unser Präsident hatte immer von einem alternativlosen Weg für den Klub gesprochen - völlig zu Recht. Es hätte ja nichts geholfen, wenn wir einen Internetvertrag noch mal zwei Mal geprüft und wir dann doch wieder einen teuren Spieler gekauft hätten. Wir haben schon damals alles sehr gemeinschaftlich entschieden. Das ist auch einer der größten Bausteine des Erfolges der vergangenen Jahre.

Sie kamen als 37 Jahre alter Manager-Nobody. Hatten Sie in dieser Zeit Vorbilder oder haben sich bei Kollegen etwas abgeschaut?

Arnold Klar verfolgt man in den Medien, wie sich jemand artikuliert. Aber damit ist ja noch nicht gesagt, wie er seine tägliche Arbeit macht. Ich kannte den einen oder anderen, mit Martin Bader habe ich zum Beispiel in Berlin zusammengearbeitet. Letztendlich ist mein Job damals aber sehr viel 'learning by doing' gewesen. Ich hatte das Glück, direkt nach der Profilaufbahn in diese neue Karriere starten zu können. Unterm Strich haben wir hier ein paar Dinge ganz gut gemacht.

Sie haben in Braunschweig eine erfolgreiche Mannschaft ohne große Stars geformt. Steht der Charakter bei der Auswahl neuer Spieler vor spielerischer Qualität?

Arnold Das nicht, aber der Charakter ist tatsächlich ein ganz großer Aspekt bei uns. In unserer Mannschaft, die ja gerne als Team der Namenlosen bezeichnet wird, achten wir sehr auf den Teamgedanken. Und das funktioniert natürlich nur, wenn die Charaktere innerhalb der Truppe diesen Teamgedanken auch leben. Es hilft mir nicht, wenn ich eine gewisse Einzelqualität bei einem Spieler habe, der dann aber nur sein eigenes Ding macht, vielleicht egoistisch ist oder arrogant.

Ein großer Faktor für den Erfolg der Eintracht ist auch Ihre Zusammenarbeit mit Trainer Torsten Lieberknecht. Nach außen wirkt das Verhältnis immer sehr harmonisch. Knallt es auch mal zwischen Ihnen, gibt es Reibereien?

Arnold Na klar, die gibt es auch mal, denn wir sind von unseren Charakteren grundverschieden. Dass es dem Trainer manchmal nicht schnell genug geht, wie ich die Dinge abarbeite, ist bekannt. Er ist manchmal ein bisschen ungeduldig, ein sehr emotionaler Typ. Aber letztendlich ist es so, dass wir die Entscheidung dann immer gemeinsam treffen. Und wenn eine Entscheidung einmal gefällt worden ist, dann wird sie auch durchgezogen.

Die kommende Saison könnte zur ersten ernsthaften Belastungsprobe für Ihr Verhältnis werden. Bekommt Torsten Lieberknecht auch im Falle eines drohenden Abstiegs eine Job-Garantie?

Arnold Über Garantien im Fußball zu sprechen, ist müßig. Wir arbeiten die Jahre jetzt schon sehr vertrauensvoll miteinander und unser Verhältnis wird sich dadurch niemals verändern, das ist ganz klar. Wir haben sehr großes Vertrauen in ihn, in das Trainerteam und in die Mannschaft.

Trotzdem werden Sie von vielen Experten als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt. Ist das die ideale Ausgangssituation? Oder wurmt Sie das eher?

Arnold Das interessiert mich nicht wirklich. Es ist immer so, dass du als Aufsteiger, der wie wir 28 Jahre nicht in der ersten Liga war und mit unseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen startet, von vornherein Abstiegskandidat Nummer eins bist. Wir werden versuchen, alles so vorzubereiten, dass wir konkurrenzfähig sind. Und dann glaube ich schon, dass wir eine gute Chance haben werden, für die eine oder andere Überraschung zu sorgen.

Was ist wahrscheinlicher: Die Meisterschaft einer Ihrer Ex-Klubs als Spieler (Dortmund und Berlin) - oder der Nichtabstieg der Eintracht?

Arnold Dass der BVB wieder deutscher Meister wird, könnte schon sein — wobei ein anderer Verein aus Süddeutschland in den nächsten Jahren etwas dagegen haben wird und den großen Anspruch hat, die Schale in Serie zu holen. Ob wir in der Liga bleiben, ist dagegen ziemlich schwierig vorherzusagen. Wir haben keine Erfahrungswerte, dafür ist es zu viel Neues, das uns in der kommenden Saison erwartet. Nächsten Mai wissen wir alle mehr.

Wofür soll Braunschweig in der Bundesliga stehen?

Arnold Genau für die Dinge, für die wir bisher auch gestanden haben. Dass wir mannschaftlich geschlossen auftreten, dass wir als sympathischer Verein rüberkommen, der immer alles in die Waagschale wirft. Und am Ende möglichst viele Punkte auf dem Konto hat. Fußball ist ein Ergebnissport, aber wir wollen in der Außendarstellung so weitermachen wie bisher. Dass wir eben ein Traditionsverein sind, der seine Vergangenheit mitgenommen hat, aber dennoch in die Zukunft blickt.

(sid)
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