Immer mehr Knochenbrüche Das brutale Gesicht der Liga

Düsseldorf · In der Bundesliga häufen sich schwere Gesichtsverletzungen. Neun Profis erlitten in dieser Saison Platzwunden und Brüche. Absicht steckte meist nicht dahinter. Experten sagen, die hohe Spielgeschwindigkeit führe unweigerlich zu Unachtsamkeiten und Zusammenstößen.

 "Es geht mir dreckig", teilte Werders Sebastian Prödl aus dem Krankenhaus mit.

"Es geht mir dreckig", teilte Werders Sebastian Prödl aus dem Krankenhaus mit.

Foto: www.sebastianproedl.com

Am Tag danach fasst Sebastian Prödl seine Gemütslage recht überschaubar zusammen. "Es geht mir dreckig", befindet der Innenverteidiger des Fußball-Bundesligisten Werder Bremen. Die Ärzte liefern dazu die passende Diagnose: Bei dem österreichischen Nationalspieler diagnostizierten sie einen Oberkiefer- und Nasenbeinbruch, eine Absplitterung am Jochbein sowie eine Gehirnerschütterung. Ihm droht eine Pause von bis zu zwei Monaten. Prödl ist nicht die Treppe hinuntergefallen oder hat sich als Kirmesboxer versucht. Es ist bei der Arbeit auf dem Fußballplatz passiert. Beim Auswärtsspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern will er im Strafraum einen Querschläger von Markus Rosenberg einköpfen, da trifft ihn Lauterns Kouemaha mit einem Fallrückzieher voll im Gesicht. Der Schiedsrichter hat gute Sicht auf das Geschehen, lässt aber weiterlaufen, statt auf den Elfmeterpunkt zu zeigen. Prödl hat zu diesem Zeitpunkt ganz andere Sorgen. Er liegt blutüberströmt auf dem Rasen.

Wie Prödl haben noch andere Berufsfußballer in dieser Saison bereits ähnlich schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Die Zahl schwerer Gesichtsverletzungen nimmt zu — neun Profis erlitten Platzwunden und Brüche. Am vergangenen Spieltag wurde der Schalker Kapitän Benedikt Höwedes mit einem Jochbeinbruch ins Krankenhaus gebracht. Er wurde gestern operiert. Im Eifer des Gefechts war er mit seinem Mannschaftskollegen Marco Höger zusammengestoßen. Zuvor erlitten Michael Ballack und Maik Franz Nasenbeinbrüche — sie kehrten indes schnell wieder auf die Bundesligabühne zurück und schützten sich mit einer Spezialmaske wahlweise aus Kunststoff oder Carbon. Eine tiefe Platzwunde am Kopf von Christian Tiffert (Kaiserslautern) musste auf dem Platz genäht werden. Den Dortmunder Neven Subotic erwischte es ein wenig übler. Der rustikale Sotirios Kyrgiakos (Wolfsburg) krachte so derbe mit ihm zusammen, dass Subotic mit Mittelgesichtsfraktur fünf Spiele ausfiel. Der Serbe trägt drei Stahlplatten, die den Oberkiefer und die Augenhöhle stabilisieren.

In der Champions League ging Subotics Teamkollege Sven Bender K.o. — gegen den FC Arsenal zog sich Bender einen doppelten Kieferbruch zu. Sebastian Kehl traf es gegen Olympique Marseille mit einer schweren Prellung des Augapfels und des Jochbeins noch verhältnismäßig glimpflich. Dennoch stellte er fest: "Ich sehe aus wie nach einem Kampf gegen beide Klitschkos gleichzeitig." Im Europapokal gegen Larnaka traf Joel Matip Mitspieler Klaas-Jan Huntelaar im Gesicht. Das Ergebnis: ein doppelter Bruch des Nasenbeins.

Die Häufigkeit schwerer Verletzungen dieser Art ist auffällig. Die Experten sind uneins, woran es liegt. Ist das Spiel brutaler geworden? Anzeichen dafür gibt es nicht. Dafür sind die Fälle zu unterschiedlich, selten konnte man dem Verursacher wirklich Absicht unterstellen. Tatsächlich ist der Grund profan: Der moderne Fußball wird immer schneller — und damit auch schwerer für die Beteiligten zu kontrollieren. Es kommt daher vermehrt zu Unachtsamkeiten verbunden mit schlimmen Folgen.

Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) will man die Angelegenheit noch nicht dramatisieren. Man zeigt sich allerdings besorgt über die Entwicklung. "Es ist auffällig, wie häufig sich Spieler derzeit im Gesicht verletzen", sagt Klaus Eder, Physiotherapeut der Nationalmannschaft. "Es bleibt kaum Zeit, den Ball vernünftig anzunehmen. Die hohe Spielgeschwindigkeit kann ein Grund dafür sein, dass unachtsamer gespielt wird. Dadurch kommt es dann zu Zusammenstößen mit den bekannten Folgen."

Der DFB hat schon in der Vergangenheit reagiert, als sich absichtliche Ellenbogenschläge derart häuften, dass eine Regeländerung nötig war. Seitdem sind die Schiedsrichter angehalten, brutale Aktionen mit dem Ellenbogen mit Platzverweis zu bestrafen. Zu selten wird davon gebraucht gemacht, weil es im Spiel oft nur schwer zu erkennen ist. Wenn es kracht, ist der Gesichtsbereich ein höchst sensibles Gebiet. "Gerade der Bereich unter dem Auge sowie der Boden der Augenhöhle ist bruchgefährdet", erklärt DFB-Arzt Josef Schmitt. "Das Risiko nehmen die Spieler in Kauf."

(RP/can/top/pst)
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