Bayer Leverkusen Werksklub will endlich wieder Titel holen

Leverkusen · Leverkusen hat 30 Millionen Euro in neue Spieler investiert. So viel wie nie. Man gibt sich aber weiter als Außenseiter.

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Manche Begrifflichkeiten sind im Jargon der Leverkusener verpönt. "Plastikklub" oder "Vizekusen" stehen auf der Liste der verbotenen Wörter mit Abstand ganz oben. In seltenen Fällen vergreifen sich aber sogar Offizielle von Bayer 04 in der Wortwahl — allerdings mit Kalkül. "Vizekusen darf nicht der Deckel des Denkens sein", rief Geschäftsführer Michael Schade am vergangenen Wochenende den Fans der Werkself bei der offiziellen Saisoneröffnung zu. Und die Anhänger dankten es mit warmem Beifall. Sie sehnen sich nach einem Titel. Der Briefkopf weist die Siege des Uefa-Pokals 1988 und des DFB-Pokals 1993 aus. Seitdem stand die Erweiterung häufig kurz bevor, doch am Ende blieb das Papier hinter den beiden Titeln weiß.

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Wenn man mit Offiziellen und Spielern spricht, ist der Wille, den Fans den nächsten Triumph zu schenken, spürbar. Gleichzeitig üben sich die Protagonisten in Understatement, schieben die Favoritenrollen anderen zu — allen voran dem aus ihrer Sicht übermächtigen FC Bayern München. So steckt Leverkusen in der Zwickmühle. Der Wunsch und auch Anspruch, einen Titel zu gewinnen, kollidiert mit dem eigenen Rollenverständnis als ewiger Verfolger. Der Gewinn der Meisterschaft oder gar der Champions League werden auch in der kommenden Spielzeit als Utopie abgetan. "Wenn es sehr gut läuft, kann es ein Champions League Platz werden", sagt Rudi Völler.

Qualität statt Masse

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Dafür, dass es gut laufen könnte, hat die Bayer AG vor dieser Saison gesorgt. Die jährlichen Zuwendungen von 25 Millionen Euro wurden anders gestaffelt. Bayer 04 erhielt mehr Geld, muss damit aber nun auch länger haushalten. Knapp 30 Millionen Euro davon investierten die Leverkusener in neue Akteure. So viel wie nie zuvor. Dabei setzte die sportliche Führung nicht auf Verstärkungen in der Breite, sondern auf Qualität. In Wendell verpflichtete Bayer 04 in guter alter Tradition einen jungen Brasilianer mit Perspektive. Der 21-Jährige soll die linke Abwehrseite nach dem Abgang von Andrés Guardado (FC Valencia) stärken. Im Angriff verließen Sidney Sam (FC Schalke 04) und Eren Derdiyok (TSG Hoffenheim) das Team. Dafür wurde Josip Drmic (1.FC Nürnberg) geholt. Der Schweizer WM-Teilnehmer soll nach Möglichkeit seine 17 Tore aus der vergangenen Bundesliga-Spielzeit wiederholen.

Der spektakulärste Zugang ist ohne Zweifel Hakan Calhanoglu. Das Wechseltheater hatte in der Sommerpause zu einer außergewöhnlichen Vorstellung geladen, die mit einer Überweisung von 14,5 Millionen Euro nach Hamburg beendet wurde. In der Vorbereitung stellte der 20-Jährige seinen feinen Fuß — gerade bei Standardsituationen — bereits mehrfach unter Beweis. "Wir haben alle Spieler bekommen, die wir bereits im Frühjahr auf der Liste hatten", sagt Geschäftsführer Schade.

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Die Neuen zu integrieren, Talente wie Julian Brandt und Levin Öztunali aus dem bestehenden Kader weiterzuentwickeln und dem Team eine klare Handschrift zu verpassen, ist die Aufgabe des neuen Trainers Roger Schmidt. Der smart auftretende 47-Jährige steht für ein aggressives Pressing-System in einer 4-2-2-2-Formation. Seine Spieler loben den Umgang und die klaren Ansprachen Schmidts. Auf dem Platz lief in den Testspielen aber noch nicht alles nach Wunsch. Das große Problem: Bayer hat keine Zeit zur Eingewöhnung. Im Umfeld und auch intern wird das Erreichen der Gruppenphase der Champions League erwartet. Ein Scheitern in den Play-off-Partien gegen den FC Kopenhagen (19. und 27. August) würde einen langen Schatten auf die Saison werfen. Und die beginnt mit dem Gastspiel bei Borussia Dortmund zwischen Play-off-Hin- und Rückspiel nicht gerade mit einer leichten Aufgabe.

Den Gewinn der Champions League oder der Meisterschaft ins Reich der Fabeln verwiesen, bleibt nur noch ein Titel übrig: der DFB-Pokal. "Man muss kein großer Experte sein, um zu sagen, dass wir dort die größten Chancen haben", sagt Völler. 2002 und 2009 stand die Werkself im Finale in Berlin. Statt dem Pokal blieb nur der Titel "Vizekusen" hängen. Die Fans hoffen aufs Neue, dass dieser Begriff endgültig aus dem Wörterbuch gestrichen werden kann und der Briefkopf 2015 die ersehnte Erweiterung erhält.

(RP)
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