Veronika Bellmann (CDU) stimmt gegen das dritte Hilfspaket "Das bin ich meinem Gewissen schuldig"

Berlin · Die sächsische CDU-Abgeordnete Veronika Bellmann will am Mittwoch bei der Griechenland-Abstimmung voraussichtlich mit Nein votieren. Im Interview erklärt sie, warum sie sich gegen den Kurs von Partei und Regierung stellt und was ihre ostdeutsche Herkunft damit zu tun hat.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Warum werden Sie am Mittwoch voraussichtlich mit Nein stimmen, wie bei den vorhergegangenen Griechenland-Abstimmungen?

Bellmann Ich habe mich noch nicht endgültig festgelegt, weil ich mir heute noch alle Argumente in der Fraktionssitzung anhören möchte. Vom Grundsatz her hat sich aber gegenüber meiner bisherigen Einschätzung nicht viel geändert. Ich bin der Meinung, ein zahlungsunfähiges Land wie Griechenland muss auch in die Insolvenz gehen können. Was wir seit Jahren mit den Hilfspaketen machen ist Insolvenzverschleppung.

Ohne eine Insolvenzordnung für Staaten würde Griechenland aber in ein Chaos stürzen, wenn man es einfach bankrott gehen ließe…

Bellmann Deshalb brauchen wir ja auch diese Ordnung zur Restrukturierung von Staaten. Es gibt weitere gewichtige Argumente gegen das dritte Hilfspaket: Die Systemrelevanz Griechenlands für den Euro als Ganzes ist nicht gegeben. Auch die Schuldentragfähigkeit und die IWF-Beteiligung sind nicht gegeben.Das wäre aber die rechtliche Voraussetzung dafür, dass Geld aus dem Rettungsschirm ESM fließen kann. Außerdem vertraue ich Herrn Tsipras nicht! Er hat jetzt Reformzusagen gemacht, um an das dringend benötigte Geld heranzukommen. Aber Papier ist bekanntlich geduldig. Wettbewerbsfähigkeit, Markt, Privatisierung, das sind Begriffe, die einem Kommunisten fremd sind.

Welche Alternative hätten Sie für Griechenland befürwortet?

Bellmann Griechenland muss zeitweise aus dem Euro ausscheiden können. Ich unterstütze diese Idee, die ja auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Juni/Juli verfolgt hat.

Aber die wäre ja nur machbar, wenn Griechenland es selbst gewollt hätte…

Bellmann Ja, das stimmt. Aber man hätte Griechenland zum temporären Euro-Austritt bewegen können, wenn man diesen Austritt entsprechend flankiert hätte. Es gab diese historische Sekunde, als die Mehrheit der Euro-Länder ähnlich hart wie Schäuble aufgetreten sind. Das wäre eine große Umwälzung gewesen. Wir in Ostdeutschland haben vor so etwas keine Angst. Nach der Wende hat sich unser ganzes Leben verändert, nicht nur die Postleitzahl. Wenn Griechenland zeitweise ausgeschieden wäre, wäre das nicht billiger, aber auf jeden Fall ehrlicher und rechtstreu gemäß den Europäischen Verträgen gewesen.

Hat Ihnen die Fraktionsführung mit Konsequenzen gedroht für ihr Abstimmungsverhalten?

Bellmann In der letzten Legislaturperiode hat Fraktionschef Volker Kauder einmal zu mir gesagt: Wenn du immer so widerspenstig bist, wirst du nie was in Berlin. Ich habe ich ihm geantwortet: Will ich auch gar nicht. Wenn ich meinen Wahlkreis gewinne, geht's mir schon gut. Ich war von 2002 bis 2013 Obfrau im Europa-Ausschuss. Das habe ich in dieser Legislaturperiode nicht wieder angestrebt, weil ich gemerkt habe: Das ist nicht wohlgelitten. Ich wäre gern wieder in den Ausschuss gegangen.

Was sagen die Fraktionskollegen denn zu Ihnen?

Bellmann Sie fragen mich zum Beispiel: Wieso stimmst du wieder dagegen, es ist doch gar keine Wahl in Sicht? Da kommen schon manchmal herbe Sprüche. Ich antworte dann immer: Das bin ich meinem Gewissen schuldig, egal, ob nun vor oder nach der Wahl. Ich bin kein Populist, aber vielleicht Idealist, weil ich es noch immer für richtig halte, sich an Verträge und Regeln zu halten und sie sich nicht ständig so zurechtzubiegen, wie es einem gerade passt.

Das Gespräch führte Birgit Marschall.

(mar)
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