Im Alter von 85 Jahren: Filmemacher Michael Verhoeven gestorben
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Kolumne: Gesellschaftskunde Bei Sexismus geht es eigentlich um Macht

Düsseldorf · Die Diskussion über sexuelle Übergriffe im Showgeschäft hätte eigentlich den Blick auf falsche Machtstrukturen und deren Folgen lenken können. Doch sie hat sich auf Nebenthemen verlagert. Vorerst.

 Unsere Autorin Dorothee Krings.

Unsere Autorin Dorothee Krings.

Foto: Krings

Mit ein wenig mehr Gelassenheit hätte das eine wichtige Debatte werden können. Denn wenn Menschen in einer so von Macht und Abhängigkeiten geprägten Branche wie dem Showgeschäft endlich den Mut fassen, von ihren Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen zu berichten, dann ist das ein wichtiger Schritt, um Unterdrückung und Machtmissbrauch mit dem einzig wirksamen Gegengift zu bekämpfen: durch Öffentlichkeit.

Doch bemerkenswert, wie die eigentlichen Fragen dann schnell von den üblichen Aufregungen überlagert wurden. Bald ging es nicht mehr um die Chance, überkommene Machtstrukturen zu entlarven. Und darüber nachzudenken, wie sich Abhängigkeiten abbauen lassen, wie es in Zukunft gerechter zwischen den Menschen, gleichwertiger zwischen den Geschlechtern zugehen könnte.

Bald war wieder von Hexenjagd und Hysterie die Rede. Wurde nicht mehr über die eigentlichen Vorwürfe gesprochen, sondern diskutiert, ob die Unschuldsvermutung auch bei Promis gewahrt wird. Oder ob Frauen mit Karrierewunsch genügend deutlich Nein sagen. Und natürlich sind solche Fragen diskutierwürdig, nur kommen sie eben gern dann auf, wenn es eigentlich um Unterdrückungsmechanismen gehen müsste. Und so waren bald auch die Verfechter der Kunstfreiheit zur Stelle, die gegen angebliche Prüderie wetterten.

Doch muss man nicht ernsthaft diskutieren, dass Komplimente noch keine Übergriffe sind und dass es ohne Grenzüberschreitung weder Kreativität noch Kunst gibt. Kein "Fitzcarraldo" ohne Kinski. Bei den Vorwürfen gegen den Produzenten Harvey Weinstein oder gegen den Schauspieler Kevin Spacey ging es aber gar nicht um Grenzüberschreitungen im künstlerischen Prozess. Es ging um Männer, die ihren Status ausnutzen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die Besetzungscouch steht bekanntlich im Hinterzimmer, nicht auf der Bühne. Es ging also um Gewalt, die aufgrund falscher Strukturen ausgeübt werden kann - am Beispiel des Filmgeschäfts, doch lässt sich das auf jede Branche übertragen, in der es etwas zu verteilen gibt. Und einige Wenige das Verteilen übernehmen.

Leider gehen diese Dinge nun vorerst im Geplapper über dieses oder jenes unmoralische Angebot und pikante Detail der prominenten Fälle unter. Trotzdem hat sich etwas bewegt: Viele Opfer haben sich zu Wort gemeldet. Es gab die öffentliche Verständigung darüber, dass Missbrauch Missbrauch ist - und die Aufmerksamkeit den Opfern gehören sollte.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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