Staatsbesuch Al-Sisi sieht sich als Bollwerk gegen das Chaos

Berlin · Mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi ist ein umstrittener Gast in Berlin empfangen worden. Die Menschenrechtslage in seiner Heimat ist katastrophal. Bundestagspräsident Norbert Lammert sorgte am Morgen schon für einen Eklat.

 Abdel Fattah Al-Sisi und Joachim Gauck.

Abdel Fattah Al-Sisi und Joachim Gauck.

Foto: dpa, wk sab

Abdel Fattah Al-Sisi tritt meist zurückhaltend und freundlich auf. Doch mitunter gefriert das Lächeln des ägyptischen Staatschefs zur Maske. Dass der Karriereoffizier mit eiserner Faust für Ordnung zu sorgen versucht, haben seine politischen Gegner, vor allem die Muslimbrüder, zu spüren bekommen, die seit dem Amtsantritt al-Sisis zu Hunderten zum Tode verurteilt wurden. Angesichts der Menschenrechtslage in Ägypten ist der Staatsbesuch al-Sisis am Mittwoch und Donnerstag in Deutschland durchaus umstritten.

Die "nationale Sicherheit" sei wichtiger als demokratische Freiheiten, und Ägypten werde wohl erst in "20 bis 25 Jahren eine wahre Demokratie" sein. Mit solchen Interview-Äußerungen schreckte al-Sisi schon als Armeechef seine Gegner auf. Spätestens seit er die Fäden bei der Entmachtung des ersten frei gewählten Staatschefs Ägyptens, des Islamisten Mohammed Mursi, im Juli 2013 zog, ist er der mächtigste Mann im Staat. Und sein hartes Durchgreifen machte deutlich, dass er keinen Widerspruch duldet.

Binnen eines Jahres töteten die Sicherheitskräfte der von ihm eingesetzten Übergangsregierung mehr als 1400 Mursi-Anhänger, zahlreiche weitere wurden verhaftet. Die Muslimbruderschaft ist inzwischen wieder verboten, ihre Führungsriege sitzt im Gefängnis. In Schauprozessen verhängte die Justiz hunderte Todesurteile gegen Mursis Anhänger. Mursi selbst wurde trotz internationaler Proteste Mitte Mai zum Tode verurteilt. Die endgültige Entscheidung zu dem Urteil soll am 16. Juni verkündet werden.

Dabei stieg die Popularität al-Sisis im Land nach seinem überwältigendem Wahlsieg mit 96 Prozent Zustimmung im Sommer 2014 stetig. Und der gebürtige Kairoer nimmt für sich in Anspruch, er allein könne Sicherheit und Stabilität in Ägypten garantieren. "Wenn ich nicht eingegriffen hätte, hätte es einen Bürgerkrieg gegeben", rechtfertigte er im April in einem Interview sein Vorgehen gegen die Islamisten. Noch in diesem Jahr solle es zudem die eigentlich für März geplante Parlamentswahl geben, versprach Al-Sisi.

Schon kurz nach seinem Amtsantritt hatten Muslimbrüder und andere Kritiker beklagt, die Menschenrechtslage sei schlimmer als in den fast 30 Jahren unter Husni Mubarak, der mit der Revolution im Frühjahr 2011 aus dem Amt gejagt wurde. Dem hält Al-Sisi, der in jungen Jahren die Militärakademie seines Landes absolvierte und sich in Großbritannien und den USA weiterbildete, ungerührt entgegen, er müsse "für das Leben und die Sicherheit von 90 Millionen Ägyptern angesichts des Risikos von Chaos" einstehen.

Im Vorfeld seines Besuchs in Berlin sorgte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) für einen Eklat, als er ein geplantes Treffen mit Al-Sisi absagte - unter Verweis auf die "systematische Verfolgung oppositioneller Gruppen" und "eine unfassbare Anzahl von Todesurteilen". Die Bundesregierung hielt dagegen an ihrer Einladung fest. In Berlin wurde der Gast aus Kairo am Mittag zunächst von Bundespräsident Joachim Gauck mit militärischen Ehren begrüßt - dann stand ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Programm. Bei der Suche nach Lösungen der zahlreichen Konflikte in der arabischen Welt sei "ein enger Austausch mit Ägypten unverzichtbar", erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

(AFP)
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