Terror in der Türkei Erdogan verspricht militärischen Sieg über PKK

Istanbul · Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ist ein Freund markiger Worte. "Der Terrorismus wird in die Knie gezwungen werden", verspricht er seinen Landsleuten nach dem Anschlag von Ankara, der Dutzende Menschen das Leben gekostet hat.

Forensiker untersuchen den Ort des Geschehens.

Forensiker untersuchen den Ort des Geschehens.

Foto: ap

Der Hauptverdächtige nach der Bluttat in der Hauptstadt: Die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Erdogan ist entschlossen, die PKK militärisch zu besiegen - obwohl diese Strategie seit Monaten vor allem dazu führt, dass der Konflikt immer weiter eskaliert.

Dennoch hält Erdogan an seinem Kurs fest. Nur Stunden nach dem Anschlag von Ankara fliegt die Luftwaffe Angriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak. Dutzende PKK-Verdächtige werden bei landesweiten Razzien festgenommen. In den Kurdengebieten im Südosten des Landes trifft die Armee Vorbereitungen für neue massive Einsätze, wieder werden ganze Städte unter Ausgangssperre gestellt. Jetzt steht unter anderem wieder Nusaybin an der syrischen Grenze auf dem Plan, wo die letzten Operationen erst im Dezember beendet wurden.

Dabei hatte Erdogan Stabilität versprochen, nachdem die Türken seine islamisch-konservative AKP bei den von ihm selber verfügten Neuwahlen im November wieder mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet hatten. Diese Mehrheit war der Partei im Juni zuvor erstmals seit dem Jahr 2002 abhandengekommen. Danach glitt das Land ins Chaos ab, wofür AKP-Kritiker Erdogan mitverantwortlich machten. Die Waffenruhe mit der PKK kollabierte, die meisten Wähler sehnten sich nach den deutlich ruhigeren Zeiten unter der AKP-Alleinregierung zurück.

Keine Spur von Stabilität

Doch von Stabilität kann keine Rede sein, im Gegenteil: Seit Erdogan die Geschicke der Türkei lenkt, war das Land noch nie so instabil wie jetzt, wozu neben dem Kurdenkonflikt auch die wachsende Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beiträgt. Die Terrorbilanz von fünf Monaten alleine in Ankara: Mehr als 160 Tote bei drei Selbstmordanschlägen. Und das ist nicht die einzige Gewaltstatistik, die eher auf ein Land im Bürgerkrieg als auf einen Nato-Partner und EU-Beitrittskandidaten wie die Türkei schließen lässt.

Die türkische Armee will seit Dezember mehr als 1200 PKK-Kämpfer getötet haben, auch zahlreiche Zivilisten und Angehörige der Sicherheitskräfte kamen ums Leben. Kurdische Orte wie Cizre sind nach den Militäroperationen kaum mehr von syrischen Städten zu unterscheiden, so verheerend ist die Zerstörung. Die Gewalt, für die die Regierung ausschließlich die PKK verantwortlich macht, hat nach offiziellen Angaben mehr als 350.000 Menschen vertrieben. Sie suchen bislang noch im eigenen Land Schutz - und nicht in der EU.

Gewalt erzeugt Gegengewalt

Auf die PKK - beziehungsweise die aus ihr hervorgegangene Splittergruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) - fällt nun auch der Verdacht nach dem Anschlag von Ankara. "Sie dehnen die Front auf die Westtürkei aus", sagt der Sicherheitsexperte Metin Gülcan. Und der Türkei-Fachmann Gareth Jenkins warnt, die ewigen Beteuerungen aus Ankara, die PKK werde besiegt, "sind wie ein rotes Tuch für einen Bullen" - sie zwinge die PKK quasi zum Beweis des Gegenteils.

Erdogan sieht in den zunehmenden Terroranschlägen einen Angriff auf die "Einheit und Solidarität unseres Volkes". Doch von Einheit kann keine Rede sein, die Türkei unter Erdogan ist zutiefst gespalten. Die Bruchlinien verlaufen zwischen glühenden Verehrern und erbitterten Gegnern des Präsidenten. Und sie verlaufen immer mehr zwischen Türken und Kurden - von denen viele den Staat verdächtigen, nicht nur gegen die PKK, sondern gegen die Kurden insgesamt vorzugehen.

Der EU kann die alarmierende Lage in der Türkei eigentlich nicht gleichgültig sein, schließlich will sie die Beitrittsverhandlungen mit dem zunehmend instabilen Land sogar beschleunigen. Dennoch schweigt Europa zur Eskalation der Gewalt. Der Grund: Die EU will Erdogan nicht verärgern, der sich Einmischungen von außen verbittet - und den sie braucht, um der Flüchtlingskrise Herr zu werden.

(felt/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort