Ein russischer Fotograf liefert Eindrücke aus Kiew Mit der Kamera zwischen brennenden Barrikaden

Kiew · Zwei Monate dauern die Proteste gegen die Regierung in der Ukraine nun schon an. Und der Widerstand wächst stündlich. Mitunter liefern sich Regierungsgegner und Polizei wahre Straßenschlachten. Direkt vor Ort ist auch der russische Blogger und Fotograf llya Varlamov. Seine Bilder zeigen aus nächster Nähe den Kampf um die Macht.

Proteste in Kiew: Steine, Knüppel und brennende Barrikaden
16 Bilder

Proteste in Kiew: Steine, Knüppel und brennende Barrikaden

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Immer wieder zieht Rauch über die ukrainische Hauptstadt Kiew. Lodernde Feuerstellen sind rund um den Maidan, den Unabhängigkeitsplatz, zu sehen. Vermummte werfen Steine oder Molotowcocktails. Ihnen gegenüber stehen die gut ausgerüsteten Kräfte der Polizei und der Spezialeinheit Berkut. Es sind Szenen, welche die ukrainische Regierung dazu veranlassen, von Terroristen zu sprechen, die gegen den Staat kämpfen.

Denn unter die friedlichen Demonstranten haben sich auch Ultranationalisten gemischt. Sie wollen nicht verhandeln wie die Opposition um Vitali Klitschko, sie wollen Präsident Viktor Janukowitsch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zum Rücktritt drängen. "Wir Nationalisten müssen das Regime der internationalen Okkupation stürzen — mit Revolution. Es gibt keinen anderen Weg", sagt Andrij Tarasenkom, einer ihrer Anführer, der Nachrichtenagentur AFP.

Vitali Klitschko bleibt auf der Straße bei den Demonstranten
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Vitali Klitschko bleibt auf der Straße bei den Demonstranten

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Friedliche und radikale Demonstranten

Klitschko dagegen fordert die radikalen Regierungsgegner auf, das besetzte Justizministerium zu räumen. Es gelte, Provokationen zu vermeiden und eine politische Lösung des Machtkampfes zu finden. Doch seine Rufe scheinen nicht von allen gehört zu werden, immer wieder kommt es nahe des Dynamo-Stadions zu Straßenkämpfen.

Wie das aussieht, zeigt auch der russische Blogger und Fotograf Ilya Varlamov auf seiner Webseite zyalt.livejournal.com. Er mischt sich unter die Regierungsgegner, zeigt, wie sie Flaschen für die Molotowcocktails präparieren, Autoreifen in die Flammen werfen oder sich zwischenzeitlich stärken. Varlamov, der selbst politisch aktiv ist (er wollte 2012 für das Bürgermeisteramt in Omsk kandidieren, konnte aber nicht die erforderlichen Stimmen zusammenbekommen), beschreibt neben den Bildern seine Eindrücke von vor Ort.

Er sagt, dass sich diese Straßenschlachten auf einen kleinen Bereich rund um das Dynamo-Stadium konzentrierten, außerhalb dieses Bereiches gehe das Leben in Kiew wie gewohnt weiter. Er wehrt sich gegen die Aussage, dass die Regierungsgegner die gesamte Stadt zerstören würden. Selbst eine Statue inmitten des Platzes sei abgedeckt worden, um sie vor Schäden zu bewahren. Er schreibt von einer "wahren Revolution".

Bilder von der "anderen Seite"

Aber Varlamov zeigt auch die andere Seite. In einem Blog-Eintrag zeigt er diejenigen, die in Uniform den Staat unterstützen. Er fotografiert sie, wie sie in Reih und Glied stehen, zeigt mitunter Nahaufnahmen oder wie sie mit Demonstranten reden. "Wenn die Revolution alles für dich ist und du dafür lebst, solltest du jetzt nicht weiterlesen", warnt er schon einmal vorsorglich. Er zeige die Bilder, weil er ein objektives Bild von den Ereignissen in Kiew zeigen wolle — und dazu gehört für ihn auch, die Gegenseite zu zeigen.

Die Kommunikation mit den Berkut-Einheiten, so schreibt er, sei praktisch unmöglich. "Wenn du dich ihnen näherst, siehst du dich direkt Pistolen gegenüber." Kontaktfreudiger seien dagegen die Kräfte des Militärs. Mit ihnen, die das Regierungsviertel absichern, habe er gesprochen.

Seine Bilder jedenfalls geben tiefe Einblicke in die Geschehnisse vor Ort. Und sie zeigen, dass es immer zwei Seiten gibt in einem solchen Machtkampf — wenn nicht sogar noch mehr angesichts der Vielschichtigkeit der Regierungsgegner.

(das)
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