Krieg in Libyen In der Nato geht es drunter und drüber

Düsseldorf (RPO). Während die Kämpfe in Libyen an Intensität zunehmen, streitet die Koalition der Willigen, wer die Mission führen soll. Vor allem Frankreich, Großbritannien und die USA greifen an. Eigentlich ein Fall wie gemacht für die Nato. Doch herrscht beim Militärbündnis zwei Tage nach dem Beginn des Krieges eine chaotische Lage. Vor allem Franzosen und Türken geraten aneinander.

Was einzelne Staaten zum Militäreinsatz gegen Libyen beitragen
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Was einzelne Staaten zum Militäreinsatz gegen Libyen beitragen

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Foto: AFP

Düsseldorf (RPO). Während die Kämpfe in Libyen an Intensität zunehmen, streitet die Koalition der Willigen, wer die Mission führen soll. Vor allem Frankreich, Großbritannien und die USA greifen an. Eigentlich ein Fall wie gemacht für die Nato. Doch herrscht beim Militärbündnis zwei Tage nach dem Beginn des Krieges eine chaotische Lage. Vor allem Franzosen und Türken geraten aneinander.

Frankreich und sein ehrgeiziger Präsident Nicolas Sarkozy würde zu gerne die Führung der Operationen an sich reißen. Schon in den vergangenen Tagen war Paris vorgeprescht. Erst erkannte es als erster Staat die libysche Opposition als alleinige rechtmäßige Vertreter des Landes an, am Samstag kreisten französische Kampfjets bereits über der umkämpften Rebellenhochburg Bengasi, als der Sondergipfel — natürlich in Paris — noch gar nicht den Einsatz beschlossen hatte.

Die Rahmenbedingungen für Paris scheinen günstig. Die USA, die seit Samstag die meisten Angriffe gegen die Stellungen von Muammar al Gaddafi geflogen sind, wollen ihre Führungsrolle so schnell wie möglich loswerden. "Wir haben zugestimmt, unser einzigartiges Potenzial und dessen Breite am Anfang dieses Vorgangs einzusetzen", hatte Verteidigungsminister Robert Gates in der Nacht erklärt. "Und dann erwarten wir, innerhalb weniger Tage den Fall in die hauptsächliche Verantwortung anderer zu legen." Die USA würden die Koalition weiterhin militärisch unterstützen, "aber nicht die Hauptrolle spielen".

Es bleiben Optionen

Nun bieten sich zwei Optionen: Entweder die Aktion läuft unter der Federführung der ehrgeizigen Franzosen. Oder die Nato übernimmt. Die Rufe nach einer Übernahme durch das Militärbündnis wurden am Sonntag und Montag immer lauter vernehmbar. "Wir müssen von einer Koalition der Willigen zu einem koordinierteren Ansatz unter der Nato kommen", forderte etwa der italienische Außenminister Franco Frattini am Montag in Brüssel. Die Nato, so ist oft als Argument zu hören, erfahre über die nötige Erfahrung und Infrastruktur, um einen solchen Einsatz koordinieren zu können.

Doch innerhalb der Organisation gibt es Zwistigkeiten. Derzeit blockiert es sich selbst. Und das, obwohl die Planungen für einen Einsatz schon mehr oder minder beendet sind. Eine Entscheidung im Nato-Rat muss einstimmig fallen. Und dem steht derzeit die Türkei entgegen. Sie blockiert aus Zorn über Paris bislang, dass das Bündnis die Steuerung übernimmt.

Ein diplomatischer Affront

Der Grund: Ankara fühlt sich vom französischen Staatschef Nicolas Sarkozy überrumpelt, weil die Türkei nicht zum Libyen-Gipfel am Samstag in Paris eingeladen worden war. So berichtet es zumindest am Montag die Nachrichtenagentur dapd und beruft sich dabei auf Diplomatenkreise. In Paris hatten am Sonntag 22 Staaten, die Arabische Liga, die EU und die UN die Militärintervention gegen Gaddafi abgesegnet. Trotz der deutschen Enthaltung ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel im trauten Kreis auf dem Familienfoto zu sehen. Nicht aber der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.

Neben dem diplomatischen Affront Sarkozys fürchtet die Türkei auch um ihr Ansehen in der arabischen Welt und pocht auf mehr Schutz gegen mögliche zivile Opfer. Ohne Zustimmung Ankaras kann die Nato weder das Oberkommando übernehmen noch die Durchsetzung der Flugverbotszone über Libyen steuern. Dafür ist die Zustimmung aller 28 Mitglieder notwendig. Am Montagnachmittag wollte der Nato-Rat abermals im Brüsseler Hauptquartier tagen. Ein Ende des Streits halten Diplomaten jedoch für wenig wahrscheinlich.

Es droht die Selbst-Blockade

Die Blockade der Türken hat weitergehende Ergebnisse bisher verhindert. Der Nato-Rat einigte sich in der Nacht zum Montag in Brüssel lediglich darauf, das UN-Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen.

Die Verärgerung in diplomatischen Kreisen ist beträchtlich. Für die Nato könnte die Sache zur Blamage ausarten. Und noch schlimmer: Die Steuerung des Militäreinsatzes in Libyen droht Schaden zu nehmen. Die chaotische Lage ist nach Ansicht des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn nicht länger hinnehmbar. Das "Spiel" zwischen den Parteien sei "schädlich". Schließlich riskierten bereits Soldaten ihr Leben, um die UN-Resolution durchzusetzen, sagte er in Brüssel.

Obama ist froh, wenn er draußen ist

Doch selbst, wenn die zerstrittenen Partner sich einigen sollten , könnte die Nato nicht unbelastet den Einsatz übernehmen. Die Franzosen haben nicht zu unrecht darauf hingewiesen, dass das westliche Militärbündnis in der arabischen Welt einen schlechten Ruf hat. Oftmals wird es mit den USA gleichgesetzt — und die sind spätestens seit dem Irak-Krieg in etlichen Regionen verhasst.

US-Präsident Barack Obama ist daher darauf bedacht, die Amerikaner beim Einsatz gegen Libyen nur die zweite Geige spielen zu lassen. Zu gefährdet, zu fragil sind die Beziehungen zwischen Washington und der arabischen Welt. Darin, so erscheint es im Moment, könnte Frankreichs Chance liegen.

(dapd/pst)
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