Prestigeverlust befürchtet Alg-I-Streit: Bundespräsident zwischen den Stühlen

Berlin (RPO). Die Einmischung von Bundespräsident Horst Köhler in die Debatte um das Arbeitslosengeld I schlägt weiter hohe Wellen. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel Unterstützung für die Vorschläge von Jürgen Rüttgers signalisierte, stellt sich SPD-Fraktionschef Peter Struck auf die Seite Köhlers. Ein Experte befürchtet einen Prestigeverlust des Bundespräsidenten.

SPD-Fraktionschef Peter Struck weist im Streit über das Arbeitslosengeld Kritik an den Äußerungen von Bundespräsident Horst Köhler zurück. Die Kritik der Union sei nicht angemessen, sagte Struck am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Der Bundespräsident könne sich natürlich politisch äußern.

Zudem habe Köhler völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) unsozial sei und dass die Arbeitslosenversicherung eine Risiko- und keine Art Lebensversicherung sei.

Köhler hatte am Mittwoch gemahnt, die Arbeitslosenversicherung sei "kein individueller Sparvertrag". Der Vorschlag, die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I nach der Länge der Einzahlungszeit zu staffeln, schwäche das Versicherungsprinzip und damit eine zentrale "Errungenschaft zur Schaffung von Sicherheit in modernen Gesellschaften". Die Äußerungen hatten in Teilen der Union für Unmut gesorgt.

VdK widerspricht Köhler

Die Warnung von Bundespräsident Horst Köhler vor einer längeren Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I für langjährige Beitragszahler stößt beim Sozialverband VdK auf Widerspruch. VdK-Präsident Walter Hirrlinger betonte in einem ddp-Interview, die entsprechende Forderung aus der Union bedeute keine Schwächung des Versicherungsprinzips.

Dieses Prinzip beruhe nämlich darauf, "dass sich die Menschen gegen die Wechselfälle des Lebens versichern sollen, um im Versicherungsfall ein Bezugsrecht zu haben und nicht der Allgemeinheit zur Last zu fallen". Hirrlinger fügte hinzu: "Wenn dieser Grundsatz aufgegeben wird, kann das zu chaotischen Verhältnissen führen."

Hirrlinger betonte, er bewerte deshalb die Vorstöße aus der Union zu Korrekturen beim Arbeitslosengeld grundsätzlich positiv. Es wäre nach Ansicht des VdK-Präsidenten ein gutes Signal im Sinne sozialer Gerechtigkeit, wenn der CDU-Bundesparteitag nächste Woche in Dresden dieser Forderung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) zustimmen würde. Die SPD forderte Hirrlinger auf, ihr Nein zu einer längeren Arbeitslosengeld-Bezugsdauer zu überdenken.

Köhler hatte am Mittwoch gemahnt, die Arbeitslosenversicherung sei "kein individueller Sparvertrag". Der Vorschlag, die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I nach der Länge der Einzahlungszeit zu staffeln, schwäche das Versicherungsprinzip und damit eine zentrale "Errungenschaft zur Schaffung von Sicherheit in modernen Gesellschaften".

Köhler droht laut Prestigeverlust

Bundespräsident Horst Köhler hat nach Ansicht des Göttinger Parteienforschers und Politologen Peter Lösche eine falsche Auffassung von seinem Amt. "Er verliert sein Prestige als Hüter der Politik, wenn er sich in das Alltagsgeschäft einmischt", warnte Lösche in der "Saarbrücker Zeitung" (Freitagausgabe).

Dass Köhler vor einer längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I gewarnt habe, sei ein klares "Abweichen vom Rollenverständnis, das der Bundespräsident haben sollte", kritisierte Lösche weiter. Einem Johannes Rau wäre das nicht passiert - auch nicht seinen sämtlichen Vorgängern.

Laut Lösche wolle Köhler ein politischer Präsident sein. "Dass darf aber nicht heißen, in aktuellen politischen Auseinandersetzungen mitzumischen", sagte er. Der Bundespräsident müsse im Hintergrund agieren. "Aber Köhler ist Ökonom. Das mag ihm in den Fingern kribbeln. Er hat aber zu wenig politische Erfahrung", betonte der Parteienforscher.

(afp2)
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