Verblüffende Theorie Starkes Gehirn dank Spucke

Düsseldorf (RP). Woher das Gehirn des Menschen seine Leistungsfähigkeit nimmt, ist umstritten. Wissenschaftler haben eine verblüffende Erklärung gefunden. Demnach verdankt der Mensch sein großes Gehirn in erster Linie der Spucke.

Das menschliche Gehirn ist ein merkwürdiges Ding. Es ist übermäßig groß und komplex, ziemlich störungsanfällig, es frisst jede Menge Energie, und es ist eine Maschine mit nahezu unbegrenzten Einsatzmöglichkeiten.

Warum das so ist, wird damit erklärt, dass die frühen Hominiden in einer Umwelt lebten, die an ihr Denkvermögen erhöhte Anforderungen stellte. Weil sie sich darauf verlegt hatten, Werkzeuge und Waffen herzustellen, und weil sie darauf angewiesen waren, ihr Handeln gemeinsam zu planen und aufeinander abzustimmen. Dafür benötigten sie angeblich reichlich technische und soziale Intelligenz. Und die Evolution lieferte ihnen prompt ein entsprechendes Gehirn.

Nach anderen Theorien waren es vor allem die zunehmende Komplexität des gesellschaftlichen Lebens und die dafür erforderlichen Fähigkeiten zur Verständigung und Interaktion, welche die Evolution des Gehirns vorangetrieben haben. Wieder andere betrachten das Gehirn als das Ergebnis eines geistigen Wettrüstens, eines Hobbes'schen Kampfes aller gegen alle, bei dem jeder versuchte, seine Gegenspieler zu manipulieren, sie zu täuschen und zu betrügen.

Doch nun gibt es eine neue, verblüffende Erklärung. Nach Auffassung des Anthropologen Nathaniel Dominy verdankt der Mensch sein großes und leistungsstarkes Gehirn in erster Linie der Spucke. Kürzlich haben Dominy (Universität von Kalifornien in Santa Cruz) und seine Mitarbeiter 50 hell- und dunkelhäutigen Studenten Speichelproben und einige Zellen ihrer Mundschleimhaut entnommen. Und in den Speichelproben stießen die Forscher auf höchst unterschiedliche Mengen des Enzyms Amylase, das für die Zerlegung der Stärke eine Schlüsselrolle spielt.

Entscheidend war jedoch, was in den Zellen aus der Mundschleimhaut entdeckt wurde: bis zu 15 Kopien des Gens AMY1, das die Bauanleitung für Amylase liefert. Das legt die Vermutung nahe, dass umso mehr Enzyme produziert werden, je mehr Kopien des AMY1-Gens zur Verfügung stehen.

Gleichzeitig kam zu Tage, dass die Schimpansen ziemlich arm dran sind. Weil sie nur zwei Kopien dieses Gens haben, machen sie um stärkereiche Nahrungsmittel einen großen Bogen und greifen zu leicht verdaulichen Früchten.
Mundsekret machte überlegen

Darüber hinaus haben Dominy und sein Team festgestellt, dass es einen Zusammenhang zwischen Ernährungsweise und Erbanlagen gibt: So sind die sibirischen Jakuten, die von Jagd und Fischfang leben, mit weniger Kopien des AMY1-Gens ausgestattet als die Japaner, die viel Reis essen. "Warum", so fragt Nathaniel Dominy, "auf eine Zufallsmutation warten, um eine Genfunktion zu verbessern? Zusätzliche Kopien eines Gens zu erzeugen, ist eine einfache Methode der Evolution, um die Produktion eines Proteins zu erhöhen."

Nach Dominys Theorie besteht das Erfolgsgeheimnis des Homo sapiens in seinem ungewöhnlich amylasereichen Mundsekret. Damit war er den anderen Primaten überlegen und konnte stärkehaltige Knollen wie Karotten, Kartoffeln oder Zwiebeln nutzen. Dann erfand er das Kochen und konnte noch mehr stärkehaltige Nahrung zu sich nehmen - um sein nach immer mehr Energie hungerndes Gehirn zu versorgen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort