Düsseldorf Lerche und Gartenrotschwanz begrüßen den Tag

Düsseldorf · Es gab einmal eine Zeit, da begann der Tag mit einem Hahnenschrei – nicht nur für das Federvieh, sondern auch für die vielen Menschen auf dem Land. Geoffrey Chaucer, der weltberühmte Autor der "Canterbury Tales", unkte im 14. Jahrhundert sogar, dass dieser Hahnenschrei sehr viel zuverlässiger die Zeit ansage als jede Uhr. Die Zeiten haben sich geändert, und die Uhren sind genauer geworden – die Vögel allerdings sagen die Tageszeit immer noch an, und das sogar recht genau. Ihr Biorythmus nämlich, wird von der Helligkeit des Tageslichts maßgeblich beeinflusst, und somit kommt dem Sonnenaufgang eine überaus große Bedeutung zu.

Geht die Sonne auf, so beginnen keinesfalls alle Vögel auf die Sekunde genau zeitgleich wild durcheinander zu singen und zu zwitschern, vielmehr wählen sie für ihren Gesang eine ganz spezielle Tageszeit aus, je nachdem, wie hell es ist. Die Tageslichthelligkeit stellt also einen artspezifischen Weckreiz dar, wie Ornithologen das nennen. Würden nämlich wirklich alle Vögel bei Tagesanbruch genau zeitgleich so laut singen, wie sie nur könnten, wäre das ein heilloses Durcheinander, und kaum ein Gesang wäre zu verstehen und könnte auch nicht seiner biologischen Rolle gerecht werden. Es sind nämlich in der Regel die Männchen, die mit großem Getöse auf sich aufmerksam machen, und das aus gutem Grund.

Zum einen wollen sie so natürlich ihre Weibchen anlocken, zum anderen dient das Geschrei dazu, Reviere abzugrenzen und den Konkurrenten klarzumachen, wer hier zu Hause ist. Das alles würde so nicht funktionieren, wenn alle Vögel wild durcheinanderrufen würden. So hat im Laufe der Evolution jede Vogelart ihre eigene Tageszeit für den Gesang reserviert, davor und danach hält sie im Allgemeinen den Schnabel.

Zu den ersten Sängern, die etwa eineinhalb Stunden vor dem Sonnenaufgang mit ihrem Gezwitscher beginnen, gehören der Gartenrotschwanz und die Feldlerche. Etwa 30 Minuten später setzt der Gesang der Amsel und der Ringeltaube ein. Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang folgen dann Haussperling (Spatz) und Zilpzalp. Pünktlich zum Sonnenaufgang und manchmal auch ein paar Minuten früher oder später beginnt der Star sein morgendliches Konzert, und auch dem Grünfinken ist zum Singen zumute. Interessanterweise beenden die Tiere ihren Gesang auch wieder in der gleichen Reihenfolge, wie sie begonnen haben.

Vor allem um die Mittagsstunde wird es zumeist ruhiger, dann ist es im Sommer viel zu heiß für eine ausgedehnte Gesangsstunde. Zur Abenddämmerung werfen sich viele Spezies noch einmal richtig ins Zeug und zwitschern, so viel und so schön sie nur können. Sogar mitten in der Nacht singen einige Vogelarten, wie etwa die Nachtigall, aber auch die Heidelerche oder der Sumpfrohrsänger.

Die jeweilige Uhrzeit ist nun leicht zu bestimmen, wenn man denn weiß, wann an einem bestimmten Ort die Sonne aufgeht. Aber nicht nur die geographische Position spielt dabei eine wichtige Rolle, sondern auch das jeweilige Wetter. An trüben Tagen nämlich, auch bei starkem Wind oder Regen, kann es durchaus vorkommen, dass die Vögel ihre Gesangsstunden ein wenig verschieben, bei plötzlichen Kälteeinbrüchen sowieso. Besonders klare Witterung hingegen verfrüht den Gesang in der Regel um ein paar Minuten.

So kann es zu Differenzen von 15 Minuten und mehr kommen, je nachdem, ob es gerade regnet oder aber besonders schönes Wetter vorherrscht. Ohnehin sollte man nicht gleich die Armbanduhr neu einstellen, nur weil der Zaunkönig vielleicht schlecht geschlafen hat. Es gibt eine ganze Reihe von Einflussfaktoren, die teilweise zu beachtliche Zeitdifferenzen führen können. Die Populationsdichte etwa kann ebenso Auswirkungen auf die Uhrzeit des Gesangs haben. Ist die Anzahl der Konkurrenten zu groß, wird auch schon mal etwas eher und länger gezwitschert.

Die Reihenfolge, in der die Sänger ihren Gesang anstimmen und beenden, bleibt aber auch unter diesen Bedingungen unverändert. Der wichtigste Einflussfaktor aber ist die Helligkeit des Tageslichtes, wie Ornithologen der Universität von Florida eindrucksvoll nachweisen konnten. Karl Berg und sein Team haben im ecuadorianischen Regenwald untersucht, um wie viel zeitiger die Vögel mit dem Singen beginnen hoch oben in den relativ früh mit Sonnenlicht beschienenen Baumkronen der Urwaldriesen im Vergleich zu den Tieren in den dunkleren, tiefer gelegeneren Bereichen nahe dem Waldboden, in die das Tageslicht erst sehr viel später vordringt. Ganze 45 Minuten Zeitdifferenz macht demnach der Unterschied aus zwischen Krone und Waldboden.

Es spielt demnach also auch sehr wohl eine Rolle, ob die Tiere sich im dichten schattigen Wald nahe dem Boden aufhalten oder im freien offenen Gelände beziehungsweise in den Baumkronen. All diese Einflussfaktoren können nun natürlich dazu führen, dass so ein Star auch schon mal einige Minuten nachgeht. Im Großen und Ganzen aber ist die Vogeluhr recht genau.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort