Überwachungsnetz wird dichter Erfolge im Kampf gegen Dioxin

Münster · Die Verbraucher sind besorgt über die Belastung von Lebensmitteln mit Dioxinen und PCB. Trotz der jüngsten Funde in Hühnereiern zeigen sich Experten aber optimistisch – das Überwachungsnetz wird immer dichter.

Dioxin-Skandale des vergangenen Jahrzehnts
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Foto: dapd

Die Verbraucher sind besorgt über die Belastung von Lebensmitteln mit Dioxinen und PCB. Trotz der jüngsten Funde in Hühnereiern zeigen sich Experten aber optimistisch — das Überwachungsnetz wird immer dichter.

Auch an den Ostertagen kannte das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt in Münster keine Ruhe. Die sieben Spezialisten für Dioxin-Analytik verzichten auf die Feiertage, wenn ihr Spezialwissen gefragt ist. In Münster suchen die Forscher nach Spuren des Langzeitgifts Dioxins und dessen Schwestern PCB in Futtermittel und Nahrungsmitteln — wie jetzt bei den belasteten Hühnereiern aus Ostwestfalen. "Wir haben keinen speziellen Notdienst", erklärt Professor Peter Fürst, der als Leiter der Gruppe schon einige Lebensmittelskandale erlebt hat, "aber wir haben das wieder schnell organisiert."

Die Dioxinsuche erfordert viel Fachwissen — vor allem in der Aufarbeitung der Proben. Etwa fünf Tage müsse man für eine komplette Analyse rechnen, sagt Fürst. Das geht kaum schneller, weil das Umweltgift nur in sehr kleinen Konzentrationen vorkommt und erst angereichert werden muss.

Jede Probe erfordert ihre eigene Verarbeitung; aufwändige Handarbeit, deren erfolgreiche Umsetzung viel Routine verlangt. Bei Hühnereiern wird erst eine homogene Masse erzeugt. In mehreren Schritten werden daraus die fettigen Anteile isoliert und diese mit drei Reinigungsschritten für die eigentliche Analyse vorbereitet. Ein 500.000 Euro teures Massenspektrometer bestimmt dann die Dioxin-Belastung. Zwei dieser Geräte haben die Münsteraner im Einsatz.

Dioxin sammelt sich im Fett an

Dioxine und auch PCB sammeln sich dauerhaft vor allem im fetthaltigen Gewebe — nicht nur im Hühnerei, auch beim Menschen. Das war auch ausschlaggebend für das Verbot dieser Substanzen im Mai 2001. PCB und Dioxine waren selbst in den Fett-Reserven von Eisbären gefunden worden, obwohl die Tiere niemals direkten Kontakt dazu hatten. Auch in der Muttermilch wurden Dioxine nachgewiesen.

Ein Risiko mit Langzeitwirkung: Es dauert zehn Jahre, bis die Dioxin-Menge vom Körper auf die Hälfte abgebaut werden kann, erklärt Peter Fürst. Es geht nicht um ein einziges Dioxin-verseuchtes Ei. Wer über die Gefährdung durch Dioxine oder PCB urteilen will, muss die Langzeitdosis betrachten, die der Körper über Jahre hinweg aufnehmen muss.

Die Dioxin-Analytik ist keine Wissenschaft, die erst bei Katastrophenmeldungen zum Einsatz kommt. Denn völlig unbelastete Lebensmittel gibt es durch den weltweiten Einsatz der Umweltgifte nicht mehr, PCB und Dioxine sind überall — die Forscher nennen das schon "normale Hintergrundbelastung" aus der Zeit vor dem Verbot.

Seit 1990 werden deshalb Kuhmilch und Kuhmilchprodukte im Vier-Jahres-Turnus regelmäßig auf den Gehalt an Dioxinen und PCB untersucht. Mit erfreulichem Ergebnis: "Wir beobachten einen deutlichen Rückgang der Belastung", sagt Fürst. Weniger Gifte, aber eben nicht null. Diese regelmäßigen Untersuchungen wollen die Münsteraner auch auf Eier, Fleisch und Fisch ausweiten. "Das Monitoring war schon vor den jüngsten Funden geplant, wir stecken mitten in der Umsetzung", beschreibt der Analytiker.

Ab Mai gelten zusätzlich noch neue Meldepflichten. Die privaten Analyselabors, mit denen beispielsweise Bio-Verbände zusammenarbeiten, müssen Dioxin-Funde dann sofort den Behörden melden. Das Überwachungsnetzwerk sei nach den Skandalen der letzten Jahre immer dichter geworden, sagt Fürst.

300 bis 500 Proben landen jedes Jahr in den Münsteraner Labors im Rahmen von Routinemessungen; nur eine Handvoll sei auffällig gewesen. Die Hersteller von Futtermittel und Lebensmitteln haben offenbar reagiert — mit mehr Sorgfalt: einen Skandal, wie er vor Jahren passierte, als giftige PCB-haltige Öle über die Futtermittelindustrie illegal entsorgt wurden, hält Fürst heute nicht mehr für möglich.

Dennoch bleibt die Frage offen, wie das dioxinähnliche PCB in die Hühnereier kam. Derzeit testen die Münsteraner, ob die Dioxin-Quelle noch aktiv ist und die Hühner weiter kontaminierte Eier legen. Das Futter war es nicht, möglicherweise kam die Belastung durch frisch ausgetauschten Boden. Das wäre kein Einzelfall, freilaufende Hühner sind für Dioxin-Aufnahme anfälliger. Regelmäßige Kontrolle des Bodens bei der Hühnerhaltung gibt es bisher nicht.

(RP/felt/das)
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